OLG Dresden: Milchwerk-Blockierer müssen Schadensersatz leisten

Mit Urteil vom heutigen Tage hat der 9. Zivilsenat des OLG Dresden den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, den Landesbauernverband Brandenburg sowie weitere an der Protestaktion vom 1.-3. Juni 2008 beteiligte Personen zur Unterlassung künftiger Blockaden des Milchwerkes der Klägerin in Leppersdorf verurteilt. Zugleich hat der Senat festgestellt, dass die Beklagten (mit Ausnahme der Beklagten zu 3 und zu 11, denen kein relevanter Tatbeitrag zur Last fällt) zum Ersatz des durch die Blockade der Zufahrt zum Werksgelände entstandenen Schadens verpflichtet sind. Der Senat hat damit ein entsprechendes Urteil des Landgerichts Bautzen vom April 2010 weitgehend bestätigt.

Die Beklagten haben nach der Begründung des Senats mit der mehrtägigen Blockade der Zufahrt zum Werksgelände der Klägerin und weiterer dort ansässiger Unternehmen in deren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rechtswidrig eingegriffen. Wie beabsichtigt sei die Anlieferung von Rohmilch und die Auslieferung von Milchprodukten verhindert und dadurch zumindest zeitweise eine Einstellung der Produktion herbeigeführt worden. Eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit treffe dabei jeden, der sich an einer solchen schadensstiftenden Blockade in Kenntnis ihres Zieles beteiligt habe. Dies setze nicht zwingend eine physische Mitwirkung voraus, auch eine psychische Beteiligung – durch Unterstützung des rechtswidrigen Eingriffs, getragen von der Kenntnis der Tatumstände§ und dem auf die Rechtsgutverletzung gerichteten Willen – sei möglich. Daher sei der Beklagte zu 2), welcher in einem Info-Brief gezielt zur Teilnahme an der Blockade aufgefordert habe, für den eingetretenen Schaden verantwortlich. Auch der Beklagte zu 1) habe die Aktion maßgeblich unterstützt.§ Hinsichtlich der Beklagten zu 4) – 10) sowie 12) und 13) hat der Senat eine Anwesenheit vor Ort und eine zumindest zeitweilige Beteiligung an der Blockade festgestellt. Den Teilnehmern sei es dabei von vornherein nicht allein um die Kundgabe ihrer Meinung und die Information der Öffentlichkeit über die von ihnen als zu niedrig empfundenen Rohmilchpreise gegangen, sondern auch um die Ausübung wirtschaftlichen Drucks zur Durchsetzung ihrer Interessen. Selbst wenn die Forderungen der Milchbauern als berechtigt anzusehen wären, bliebe die zeitweilige Stilllegung des Werksgeländes eine von der Rechtsordnung nicht gedeckte Selbsthilfe. Auf das Recht zur freien Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit, welche als Grundrechte ohnehin in erster Linie auf die
Begrenzung staatlichen Handelns abzielten, könnten sich die Beklagten nicht berufen. Denn diesen Rechten stünden ebenfalls grundrechtlich abgesicherte Positionen der Klägerin – aus Art. 12 GG (Berufsfreiheit) und aus Art. 14 GG (Eigentum) – gegenüber, die hier nicht zurückzutreten hätten. Versammlungs- und Meinungsfreiheit seien darauf angelegt, die (kollektive) Kundgabe von Standpunkten in der der demokratischen Gesellschaft immanenten Auseinandersetzung der Meinungen mit geistigen Mitteln zu gewährleisten. Die zwangsweise oder sonst selbsthilfeähnliche Durchsetzung von Interessen gestatte die Rechtsordnung hingegen nicht. Maßnahmen, die nicht zur Überzeugung der Gegenseite im Meinungskampf, sondern dazu führen sollen, dass die Gegenseite sich einem auf sie ausgeübten Zwang beugt, seien von der Versammlungsfreiheit nicht gedeckt.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen.

Über die Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes ist bislang nicht entschieden. Insoweit wird der Prozess ggf. nun vor dem Landgericht weiterzuführen sein.

OLG Dresden, Urteil vom 16. November 2010, 9 U 765/10