OLG Dresden: Entschädigung von Eigentümern in Verfahren nach dem Bodensonderungsgesetz

Der 10. Zivilsenat des OLG Dresden hat mit einem heute verkündeten Beschluss wesentliche Grundsätze für die Entschädigung von Grundstückseigentümern in sog. Bodensonde-rungsverfahren aufgestellt. Maßgeblicher Stichtag für die Ermittlung des Grundstücks-wertes im Entschädigungsverfahren ist danach nicht der Zeitpunkt der Einleitung des Sonde-rungsverfahrens, sondern derjenige der Zustellung des Sonderungsbescheides. In Zeiten fallender Bodenpreise begünstigt die Entscheidung damit die entschädigungsverpflichteten Kommunen, weil die Alteigentümer die Nachteile eines während des laufenden Verfahrens eintretenden Preisverfalls am Grundstücksmarkt zu tragen haben.

Hintergrund des Rechtsstreits ist ein im Jahre 1995 eingeleitetes Bodensonderungsverfahren über ein in Leipzig-Grünau gelegenes Grundstück. Dieses wurde zu DDR-Zeiten im Zuge des komplexen Wohnungsbaues mit mehrstöckigen Wohnhäusern bebaut. Miteinem ersten Son-derungsbescheid von 1997 wurde das Eigentum an einem Teilstück des insgesamt ca. 69.000 m2 großen Grundstücks mehreren Nutzern (u.a. einer Wohnungsbaugenossenschaft) zugewie-sen und die früheren Eigentümer (eine Erbengemeinschaft) mit ca. 4,5 Mio DM entschädigt. Im jetzigen Rechtsstreit ging es um die Entschädigung für die restliche Grundstücksfläche von ca. 29.000 m2. Die Stadt Leipzig hatte den Betrag im Jahre 2000 unter Zugrundelegung der zum Zeitpunkt des ersten Sonderungsbescheides (1997) aktuellen Bodenpreiseauf ca. 1,7 Mio DM festgesetzt, dabei aber öffentliche Verkehrs- und Grünflächen lediglich mit 1/10 des Bodenrichtwertes bewertet. Das Regierungspräsidium Leipzig änderte diesen Bescheid später auf ca. 3,3 Mio DM, wobei es davon ausging, dass als Bewertungsstichtag die Einleitung des Sonderungsverfahrens im Jahre 1995 heranzuziehenund ein einheitlicher Durchschnittspreis in Höhe von 2/3 des Bodenrichtwertes für das gesamte Sonderungsgebiet zu bilden sei. Den hiergegen gerichteten Antrag der Stadt Leipzig hat das Landgericht zurückgewiesen. Die (nur noch auf die Frage des Bewertungsstichtages bezogene) Beschwerde der Stadt Leipzig hatte Erfolg.

Nach Ansicht des Senates ist in analoger Anwendung der §§ 58 Abs. 3 und 95 Abs. 1 BauGB der Zeitpunkt des Erlasses des Sonderungsbescheides für die Bestimmung des Grund-stückswertes maßgeblich. Das Bodensonderungsverfahren enthalte dem im BauGB geregel-ten Umlegungsverfahren entsprechende Regelungen, als es eine Neuordnung der Grundstücke zum Ziel habe. Mit dem Entschädigungsverfahren nach dem BauGB habe das Bodensonde-rungsverfahren gemein, dass nicht nur Grundstücksgrenzen neu gestaltet, sondern auch die Eigentumsverhältnisse der bestehenden baulichen Nutzung angepasst werden sollen. Das Feh-len besonderer Bestimmungen zur Festlegung des Wertermittlungsstichtages für solche Ver-fahren im Bodensonderungsgesetz und im Sachenrechtsbereinigungsgesetz und die vorste-hend genannten Gemeinsamkeiten mit den Verfahren im BauGB rechtfertigten es, die Regelungen des BauGB für die Entschädigung des Eigentumsverlustes entsprechend an-zuwenden.

Nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war die Frage, ob der zu entschädigende Bodenwert unter Ansatz von 1/3 der Bodenrichtwerte für baureife Grundstücke zu ermit-teln ist oder die in dem Sonderungsgebiet belegenen Verkehrsflächen (Straßen und öffentli-che Grünflächen usw.) mit niedrigeren Werten von 1/10 des Bodenrichtwerts oder den An-sätzen im Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes zu bewerten sind und auf dieser Grundlage nach den Anteilen der baulich nutzbaren Flächen und der Verkehrsflächen ein Durchschnitts-wert für die Entschädigung zu bestimmen ist. Daraus würden sich in der Regel erheblich nied-rigere Entschädigungen für die betroffenen Grundstückseigentümer auf den einen Seite und geringere Ausgleichspflichten für die Nutzer auf der anderen Seite ergeben, denen in solchen Verfahren das Eigentum an den Grundstücken entsprechend der heutigen baulichen Nutzung zugewiesen wird. Der Senat hatte diese Frage nicht mehr zu entscheiden, weil die Stadt im Beschwerdeverfahren insoweit den vom Landgericht bestätigten Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums nicht angegriffen hatte.

Der Senat hatte zuvor auf eine Anfrage des Thüringer Oberlandesgerichts mitgeteilt, dass er insoweit an seiner Rechtsprechung festhalten würde, die das Regierungspräsidium in seinem Widerspruchsbescheid der Bemessung der Entschädigungen und Ausgleichsleistungen zugrunde gelegt hatte. Danach ist die Entschädigung für den Rechtsverlust an den in einem Sonderungsgebiet belegenen Grundstücken grundsätzlich in der Weise zu ermitteln, dass zu-nächst von den Bodenrichtwerten für Bauland ein pauschaler Abzug von 1/3 für die durch den komplexen Wohnungsbau erfolgten Maßnahmen zur Baureifmachung vorzunehmen ist (§ 20 Abs. 2 S.2 SachenRBerG). Damit werde auch der geringere Bodenwert der in dem Ge-biet belegenen Verkehrsflächen pauschal berücksichtigt. Darüber hinaus sei der Halbtei-lungsgrundsatz nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zu beachten. Dies führt im Er-gebnis zu einem Ansatz von 1/3 des Bodenrichtwerts. Damit hat der sich Senat in dieser Frage der vom Thüringer OLG Jena in einer kürzlich bekannt gewordenen Entscheidung vertretenen Auffassung angeschlossen.

OLG Dresden, Beschluss vom 03.06.2004, 10 W 1545/03 und 10 W 1459/03
Vorinstanz: LG Leipzig, 13 O 838/02 und 13 O 830/02