LG Wiesbaden: Rasterfahndung

– Rasterfahndung – 4 T 707/01 LG Wiesbaden

Die Beschwerde eines sudanesischen Studenten aus Gießen gegen die vom Amtsgericht Wiesbaden durch Beschluss vom 24.09.2001 angeordnete Verpflichtung von Behörden zur Mitwirkung bei der „Rasterfahndung„ hatte Erfolg. Das Landgericht hat die Entscheidung mit Beschluss vom 06.02.2002 aufgehoben.

Das Amtsgericht Wiesbaden hatte auf Antrag des Landeskriminalamtes (LKA) am 24.09.2001 auf der Grundlage des § 26 Abs. 1,4 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) angeordnet, dass die Meldebehörden des Landes Hessen, die hessischen Universitäten und Hochschulen sowie das Luftfahrtbundesamt verpflichtet sind, ihm von näher bezeichneten Personengruppen automatisiert gespeicherte personenbezogene Daten, nämlich Namen, Vornamen, Geburtstag, Geburtsort und Anschrift zum Zwecke des Abgleichs mit anderen Datenbeständen (Rasterfahndung) zu übermitteln. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sei eine Gefährdungssituation anzunehmen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des sudanesischen Studenten hatte aus folgenden Gründen Erfolg:

Das Landgericht hat die hohen Anforderungen an die nach § 26 HSOG voraussetzungsgemäß erforderliche Gefahrenstufe nicht als erfüllt angesehen. Bei einer gegenwärtigen Gefahr in diesem Sinne müsse die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen haben oder die Einwirkung müsse unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorstehen. Hierfür gebe es keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Trotz monatelanger Fahndung sei es bei bloßen Vermutungen des LKA geblieben. Ausweislich der bis nach dem Afghanistaneinsatz der Bundeswehr abgegebenen Presseerklärungen der Bundesregierung seien keine Anzeichen für das Bevorstehen terroristischer Anschläge in der Bundesrepublik vorhanden. Das LKA müsse sich auf diese Einschätzung der Bundesregierung verweisen lassen; es könne nicht angenommen werden, dass auf diese Einschätzung kein Verlass wäre. Die Gefahrenprognose des LKA habe sich auch nicht bestätigt. Je mehr Zeit seit dem 11.09.2001 verstrichen sei, umso eindeutiger lasse sich dies feststellen: Milzbrandanschläge seien Trittbrettfahreraktionen ohne terroristischen Hintergrund gewesen, fortgeschrittene Planungen konkreter Anschläge nicht nachweisbar und die Bildung terroristischer Netzwerke mit der Möglichkeit kurzfristiger Attentate nicht ersichtlich. Die bloße Möglichkeit terroristischer Anschläge liege außerhalb des Bereichs von § 26 HSOG, in dem Maßnahmen der Rasterfahndung zulässig seien.