Die VI. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe hat in einem Berufungsverfahren gegen die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder mit Sitz in Karlsruhe zugunsten des
versicherten Rentners entschieden. Nach dem Urteil sind bei einem Versicherten, der eine Zusatzrente bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) erhält, vom
01.01.2001 an seine in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannten Zeiten auch bei der Zusatzversorgung in vollem Umfang anzurechnen, auch wenn nicht die gesamte Zeit im
öffentlichen Dienst erarbeitet wurde. Die bisherige sogenannte Halbanrechnung der Vordienstzeiten hält das Landgericht entsprechend dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 22.03.2000 (1 BvR 1136/96) für unwirksam. Diese Vollanrechnung gelte jedoch nur vorläufig, d.h. längstens bis zu dem Zeitpunkt, in dem im
Rahmen der anstehenden Satzungsreform eine neue, geänderte Regelung der VBL zu den Vordienstzeiten wirksam werde.
In dem Verfahren gegen die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder hatte das Landgericht Karlsruhe als Berufungsgericht über die Klage eines ehemaligen Arbeitnehmers
im öffentlichen Dienst zu entscheiden, der nur einen Teil seines Berufslebens im öffentlichen Dienst verbracht hatte. Die VBL hatte von den 495 in der gesetzlichen
Rentenversicherung berücksichtigten Monaten lediglich 329,5 Monate bei der Berechnung der Versorgungsrente zugrundegelegt. 164 Monate entfielen auf die Zeit im
öffentlichen Dienst, in der für den Kläger bei der Beklagten Entgelte gezahlt wurden. Die verbleibenden 331 Monate wurden entsprechend den bisher geltenden
Satzungsbestimmungen nur zur Hälfte angerechnet. Durch die jetzt ergangene Gerichtsentscheidung wird sich die Zusatzrente des Klägers von DM 353,61 auf DM 587,64 fast
verdoppeln.
Die konkrete Ausgestaltung der Zusatzversorgung ergibt sich aus der Satzung der Versorgungsanstalt. Die Versorgungsrente der VBL wird – vereinfacht dargestellt – nach den
folgenden Grundsätzen berechnet: Durch sie soll dem Versicherten ein bestimmtes Grundversorgungsniveau gewährt werden, das sich an der Besamtenversorgung orientiert
(Gesamtversorgung). Berechnungsgrundlagen sind das in den letzten drei Jahren erzielte Bruttodurchschnittsgehalt (gesamtversorgungsfähiges Entgelt) und die
gesamtversorgungsfähige Zeit. Nach vierzig Dienstjahren soll seine Gesamtversorgung 75 Prozent dieses Betrages erreichen (Bruttogesamtversorgung). Bei kürzerer Dienstzeit
verringert sich der Prozentsatz. Als gesamtversorgungsfähige Zeiten werden bei rentenversicherungspflichtigen Beschäftigten die im öffentlichen Dienst erreichten
Umlagemonate voll und Vordienstzeiten zur Hälfte berücksichtigt, soweit letztere beitragspflichtig oder beitragsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung waren.
In einem Nichtannahmebeschluss hatte die 2. Kammer des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts am 22.03.2000 -1 BvR 1136/96- ausgeführt, dass die Benachteiligung der
Rentner durch die volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei hälftiger Berücksichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit bei der
Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne. Die VBL sei durch die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zu § 18 BetrAVG ohnehin gezwungen, ihre Satzung bis zu diesem Zeitpunkt grundlegend zu erneuern. Der VBL sei es zuzumuten, im Rahmen der
anstehenden Reform auch die Probleme verfassungskonform zu lösen, die mit einer Änderung der Vorzeitenregelung unverkennbar verbunden seien.
Nachdem eine solche Satzungsänderung der VBL auch nach dem 01.01.2001 nicht vorliegt, stand das Landgericht vor der Aufgabe, unter Beachtung des Beschlusses des
Bundesverfassungsgerichts eine Übergangsregelung für die Zeit zwischen dem 01.01.2001 und einer neuen Satzungsregelung zu den Vordienstzeiten zu finden. Als derzeit
den Interessen der Beteiligten angemessene Regelung nahm das Gericht eine volle Anrechnung der Vordienstzeiten an. Bei der Zusatzversorgung handelt es sich um eine
Betriebsrente, durch die im Grundsatz die Betriebstreue des Mitarbeiters belohnt werden soll. Von daher brauchten die Vordienstzeiten an sich überhaupt nicht
berücksichtigt zu werden. Nachdem aber bisher solche Zeiten berücksichtigt wurden, konnte das Gericht nicht hinter der bestehenden Regelung zurückbleiben und den Kläger
dadurch schlechter stellen bzw. das Gesamtsystem verändern. Eine nur hälftige Anrechnung der Beitrags – und beitragsfreien Zeiten in der Rentenversicherung erschien bei
den zum Teil nur pauschalisierten Berechnungsmethoden in der gesetzlichen Rentenversicherung als zu problematisch. Deshalb wurde eine volle Anrechnung als angemessene
Regelung angesehen. Den Beteiligten an dem Versorgungswerk bleibt es nach der Entscheidung des Landgerichts unbenommen, alsbald eine neue, auch gänzlich andere Regelung zu
den Vordienstzeiten oder sogar zur gesamten Rentenberechnung zu finden.
Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 09.03.2001 – AZ.: 6 S 23/00 -(rechtskräftig)