Wer kennt nicht aus Western die lässige Art der Cowboys, ihre Pferde mit geübtem Handgriff an einem Geländer vor dem Saloon anzubinden. Im wirklichen Leben sind die Tiere durchaus nicht immer mit der entsprechenden Beschränkung ihrer Freiheit einverstanden. Haftet der Halter des Pferdes, wenn sich sein Tier gegen das Anbinden durch einen Dritten zur Wehr setzt und diesen verletzt?
Mit dieser Frage hatten sich jetzt Amts- und Landgericht Coburg zu befassen. Und befanden, dass der Verletzte seinen Unfall jedenfalls überwiegend selbst verschuldet hat, wenn das Reittier sich zuvor bereits auffällig verhalten hat. Deswegen wurden der Geschädigten statt der eingeklagten 7.500,- DM Schmerzensgeld lediglich 1.800,- DM zuerkannt.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine erfahrene Reiterin, und die beklagte Pferdehalterin hatten einen Termin zum gemeinsamen Ausritt auf den beiden Pferden der Beklagten verabredet. Zu diesem erschien die Klägerin etwas früher und führte die zwei Pferde aus dem Stall. Beide rissen sich los, konnten aber von der Klägerin – mit fremder Hilfe – eingefangen und schließlich festgebunden werden. Das behagte jedoch dem einen Rosse, einer Stute, überhaupt nicht: sie wollte sich erneut aus dem Staub machen und zerriss dabei die Befestigungskette. Nun beschloss die Klägerin, das Tier mit einem Seil erneut anbinden. Als sie aber Seil und Finger gerade im Befestigungsring hatte, stieg die Stute hoch, zog das Seil straff und verletzte die Klägerin dadurch an zwei Fingern erheblich. Ein Fall für die „Tierhalterhaftung„ und damit ein Schmerzensgeld von mindestens 7.500,- DM, meinte die Verletzte, und verklagte ihre zahlungsunwillige Reiterkollegin.
Gerichtsentscheidungen
Mit teilweisem Erfolg. Das Amtsgericht Coburg kam zu dem Ergebnis, die Beklagte hafte als Tierhalterin, auch wenn es sich bei der Reitverabredung um eine reine Gefälligkeit gehandelt habe. Die Gefährdungshaftung des Tierhalters schütze auch den Reiter, der sich aus freien Stücken in die Gefahr begebe. Allerdings habe die Klägerin den Unfall mitverschuldet. Denn zumindest nach dem zweiten Losreißen habe sie erkennen können und müssen, dass das Tier sich auffällig verhalte. Deshalb stehe ihr lediglich ein Schmerzensgeld von 1.800,- DM zu. Außerdem müsse die Beklagte von künftigen, auf den Unfall zurückzuführenden Schäden der Klägerin 25 % ersetzen. Das war der Verletzten aber zu wenig: sie ging in Berufung und wollte, dass die Staatskasse für die 2. Instanz die Prozesskosten (als sog. Prozesskostenhilfe) übernehme. Das Landgericht Coburg lehnte das aber mangels Erfolgsaussichten der Berufung ab. Es sei sogar zu überlegen, ob überhaupt ein Fall der „Tiergefahr„ vorliege – habe die Klägerin doch das Pferd in Kenntnis der Gefahren für eigene Interessen (Vorbereitung des Ausrittes) herausgeführt. Mehr als die 1.800,- DM gebe es jedenfalls nicht.
Die Klägerin nahm daraufhin ihre Berufung zurück und die Erkenntnis mit, dass das Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde liegt – wenn man denn unfallfrei dort anlangt.
(Amtsgericht Coburg, Az: 11 C 1148/99; Landgericht Coburg, Az: 33 S 34/01; rechtskräftig)
Zur Rechtslage:
Grundsätzlich muss der Halter eines Tieres für Schäden aufkommen, die das Tier einem Dritten zufügt. Es handelt sich dabei um einen Fall der Gefährdungshaftung, der Tierhalter haftet also alleine wegen der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens.
Wer sich im Umgang mit Tieren jedoch bewusst Risiken aussetzt, handelt auf eigene Gefahr. Dies wird neben oben geschildertem Fall von den Gerichten beispielsweise auch dann bejaht, wenn das Warnschild „Vorsicht, bissiger Hund!„ nicht beachtet wird. Folge: der Halter des Tieres muss weniger oder überhaupt nicht Schadensersatz und Schmerzensgeld zahlen.
Maßgebliche Vorschrift:
§ 833 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) [Haftung des Tierhalters]:
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Berufe, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalte des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Abwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.