Kurzfassung
Wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließt, sollte Fragen im Antragsformular nach Vorerkrankungen vollständig und schriftlich beantworten. Bloß
mündliche Angaben gegenüber dem Versicherungsagenten sind jedenfalls dann nicht ausreichend, wenn man weiß, dass der diese Informationen nicht an die Versicherung
weiterleitet.
Folge unterlassener schriftlicher Angaben: Trotz jahrelanger Beitragszahlungen geht der Versicherungsnehmer bei Berufsunfähigkeit (BU) möglicherweise leer aus. Das zeigt
ein vom Oberlandesgericht (OLG) Bamberg bestätigtes Urteil des Landgerichts Coburg, mit dem die Klage einer Versicherten auf BU abgewiesen wurde.
Sachverhalt
Die Klägerin hatte sich 1995 gegen BU absichern wollen. Offensichtlich aus gutem Grund, litt sie doch bereits seit mehreren Jahren unter psychischen und körperlichen
Problemen, deretwegen sie auch ärztlich behandelt wurde. Obwohl sie seit Ende Mai deswegen arbeitsunfähig erkrankt war, verneinte sie im Antragsformular sämtliche Fragen
nach gesundheitlichen Einschränkungen. Als sie sechs Jahre später gegenüber der Versicherung geltend machte, sie sei wegen einer Depression berufsunfähig, kam die ihr
auf die Schliche und focht den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an. Nach Meinung der Klägerin zu Unrecht. Schließlich habe sie dem Versicherungsagenten von allen
Erkrankungen erzählt. Der habe aber gesagt, dass nach vielen Jahren sowieso keiner nachfrage.
Gerichtsentscheidung
Einflüsterungen, auf die sie wohl besser nicht gehört hätte. Landgericht Coburg und OLG Bamberg wiesen nämlich ihre Klage ab. Zwar sei richtig, dass eine Versicherung
sich in der Regel das Wissen ihres Agenten zurechnen lassen müsse. Das gelte aber nicht, wenn der Kunde den Angaben des Versicherungsvertreters entnehmen könne und müsse,
dass maßgebliche Umstände pflichtwidrig der Versicherung verschwiegen werden und so ein uneingeschränkter Versicherungsschutz erschlichen werden sollten. Und genau
das sei vorliegend der Fall: Die Klägerin und der Agent hätten bewusst zum Nachteil der Beklagten zusammengewirkt ? was die nicht hinnehmen müsse.
Fazit
Ein mit unrichtigen Angaben erreichter Versicherungsschutz gewährt oft nur scheinbare Sicherheit.
(Landgericht Coburg, Urteil vom 17.6.2002, Az: 11 O 150/02; OLG Bamberg, Beschluss vom 28.10.2002, Az: 1 U 96/02; rechtskräftig)
Zur Rechtslage:
Genau wie beim Abschluss jedes anderen Vertrages darf auch der potentielle Versicherungsnehmer seinen zukünftigen Vertragspartner ? die Versicherung ? nicht anlügen. Sonst
kann die den Vertrag gegebenenfalls wegen arglistiger Täuschung anfechten. Mit der Folge, dass der Anspruch auf Versicherungsleistungen erlischt.
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 22 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) [Arglistige Täuschung]:
Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung über Gefahrumstände anzufechten, bleibt unberührt.
§ 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) [Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung]:
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. (2) …