Wer auf einer Baustelle eine bereits vorhandene Absturzsicherung als Gerüst benutzen will, sollte die Konstruktion vorher genauestens untersuchen. Hält sie der Belastung nicht stand, kann er nämlich nicht ohne weiteres Schadensersatz und Schmerzensgeld von ihrem Erbauer fordern.
Das zeigt ein vom Landgericht Coburg entschiedener Fall. Das Gericht wies die Schmerzensgeldklage eines beim Einsturz einer solchen Konstruktion verletzten Bauarbeiters gegen ein früher auf der Baustelle tätiges Unternehmen ab. Kein professionell auf einer Baustelle Beschäftigter könne ernstlich erwarten, dass ein Vorunternehmer über provisorische Absturzsicherungsmaßnahmen hinaus ohne Auftrag für Folgearbeiten stabile und unbeschränkt belastbare Arbeitsbühnen schaffe.
Sachverhalt
Die Mitarbeiter der beklagten Rohbaufirma hatten mittels Brettern eine Absturzsicherung über einem Kellerabgang errichtet. Etwa zehn Tage, nachdem sie die Baustelle verlassen hatten, wollte der Kläger Fenster einbauen. Dazu benutzte er die Konstruktion der Beklagten quasi als Gerüst – und überforderte sie damit. Die Bretter rutschten weg, der Kläger fiel auf die Kellertreppe und brach sich mehrere Rippen. Dafür wollte er von der Beklagten Schmerzensgeld. Die habe ihre „Verkehrssicherungspflicht„ verletzt, weil sie ein Provisorium auf der Baustelle zurückgelassen habe.
Gerichtsentscheidung
Das Landgericht Coburg sah es anders. Der Umfang der Pflichten der Beklagten richte sich nach den Sicherungserwartungen der mit den üblichen Gefahren einer Baustelle vertrauten Personen. Und als Bauarbeiter könne man gerade nicht davon ausgehen, dass ein Vorunternehmer einem eine Arbeitsbühne schaffe, ohne damit beauftragt zu sein. Außerdem sei dem später auf der Baustelle Tätigen in der Regel nicht bekannt, wann die Konstruktion erstellt und ob sie inzwischen eventuell von Dritten verändert wurde – beispielsweise um in den Keller zu gelangen. Darum sei die Beklagte bereits nicht verpflichtet gewesen, die Absturzsicherung in der vom Kläger vermuteten stabilen Bauweise zu errichten. Vielmehr habe der Kläger durch die Benutzung der Konstruktion einfache und auf der Hand liegende Sicherheitsregeln außer Acht gelassen. Ein Schmerzensgeld stehe ihm daher nicht zu.
Fazit
Gerade für den, der auf Baustellen höher hinaus will, ist Kontrolle besser.
(Landgericht Coburg, Urteil vom 21.2.2003, Az: 32 S 155/02; rechtskräftig)