LG Coburg: Zur Frage der Räum- und Streupflicht von Hauseigentümern

Kurzfassung:

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Die Klage der Kranken- und Pflegekasse gegen Hauseigentümer wegen angeblicher Verletzung der Räum- und Streupflicht blieb durch zwei Instanzen erfolglos. Ein unterlassenes Streuen war nach sechs Jahren nicht mehr aufklärbar.

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Sachverhalt:

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Im März 2006 stürzte die bei den Klägerinnen Versicherte gegen 8.55 Uhr auf dem Gehsteig vor dem Anwesen der Beklagten und brach sich das linke Sprunggelenk. Die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung klagten daher gegen die Hauseigentümer wegen Verletzung der Räum- und Streupflicht auf Zahlung der Behandlungskosten von etwa 23.000,00 Euro.

Seitens der Klägerinnen wurde vorgetragen, dass der öffentliche Gehweg vor dem Grundstück der Beklagten nicht gestreut gewesen sei. Unter einer leichten Schneedecke hatte sich eine Eisschicht gebildet, auf der die Versicherte stürzte und sich ihr linkes Sprunggelenk brach.

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Die Beklagten gaben an, dass sie am Abend vor dem Unfall den Gehsteig mit Splitt gestreut hätten. Als sie am nächsten Tag um 6.00 Uhr das Haus verlassen hätten sei der Gehsteig weder glatt noch mit einem dünnen Schneefilm überzogen gewesen. Die Versicherte müsse aus anderen Gründen gestürzt sein.

Gerichtsentscheidung:

Die Klage der Kranken- und Pflegeversicherung blieb durch zwei Instanzen erfolglos.

Zunächst wies das Landgericht Coburg die Klage ab. Fünf Jahre nach dem Sturz vernahm das Landgericht insgesamt vier Zeugen zum Zustand des Gehwegs. Danach war es nicht davon überzeugt, dass eine größere Fläche auf dem Gehweg vor dem Anwesen der Beklagten nicht gestreut war. Das Landgericht sah es jedoch§ als erwiesen an, dass der Gehweg am Abend vorher mit Splitt bestreut worden war. Ob eine größere Fläche nicht gestreut war und die Versicherte dort stürzte, vermochte das Landgericht nicht mehr festzustellen. Die Zeugen gaben jedoch übereinstimmend an, dass es erst unmittelbar vor dem Sturz leicht zu schneien begonnen hatte. Der Nachweis einer Verletzung der Räum- und Streupflicht konnte zur Überzeugung des Landgerichts nicht geführt werden. Deshalb wies es die Klage ab.

Die Versicherer zogen dagegen vor das Oberlandesgericht Bamberg. Dieses vernahm die Zeugen mehr als sechs Jahre nach dem Unfall nochmals. Aber auch dort ließen sich die Widersprüche zwischen ihren Angaben nicht aufklären. Das Oberlandesgericht war jedoch davon überzeugt, dass ein durchgehend nicht behandelter Glättebereich auf dem Gehsteig nicht vorhanden war. Die Klägerinnen hätten nach Auffassung des Oberlandesgerichts den Nachweis führen müssen, dass trotz des Streuens von Splitt eine große Fläche des Gehsteigs nicht abgesichert war. Dieser Nachweis gelang den klagenden Versicherungen nicht. Die zweite Instanz wies noch darauf hin, dass ein Hauseigentümer auf dem Gehweg nur einen ein bis zwei Meter breiten Streifen schnee- und eisfrei halten muss. Wenn tagsüber Glätte eintritt, wird für das Räumen und Streuen auch ein angemessener Zeitraum zugebilligt. Vorliegend hatte es kurz vor dem Sturz leicht zu schneien begonnen, deshalb konnte die Fußgängerin auch Eis auf dem Gehweg nicht erkennen. Mit der Beseitigung einer solch dünnen Schneeauflage hätten die Eigentümer bis zum Ende des Schneefalls warten dürfen, da am Unfallort der Einsatz von Tausalz durch städtische Verordnung verboten war. Deshalb sah auch das Oberlandesgericht Bamberg keinen Verstoß gegen die Räum- und Streupflicht und wies die Berufung zurück.

Fazit:

Jahre später mittels Zeugen tatsächliche Gegebenheiten aufzuklären ist für die Gerichte nicht einfach. Falls Zweifel verbleiben, geht dies zu Lasten desjenigen, der den Nachweis vor Gericht erbringen muss. Dies ist meist derjenige, der eine bestimmte Tatsache, hier nicht ausreichendes Räumen und Streuen, behauptet.

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(Landgericht Coburg, Urteil vom 30.12.2011, Az. 13 O 700/10; Oberlandesgericht Bamberg Urteil vom 11.09.2012, Az. 5 U 22/12; rechtskräftig)