LG Coburg: Zur Frage der Leistungsfreiheit der Vollkaskoversicherung, wenn der Sohn des Versicherungsnehmers ein Stoppschild überfährt und es zum Unfall kommt

Kurzfassung

Die Vollkaskoversicherung wird nicht automatisch leistungsfrei, wenn der Sohn des Versicherungsnehmers ein Stoppschild “überfährt” und es zum Unfall kommt. Zum einen ist der Verkehrsverstoß nicht immer grob fahrlässig, zum anderen muss der Vater sich das Verhalten des Fahrers nur unter engen Voraussetzungen zurechnen lassen.

Das zeigt ein von Landgericht Coburg und Oberlandesgericht (OLG) Bamberg entschiedener Fall. Die Richter gaben der Klage gegen eine Vollkaskoversicherung in Höhe von rund 5.800,- € statt. Der Sohn des Klägers habe am Schild zwar nicht vollständig angehalten, aber verlangsamt – und sich damit subjektiv nur „einfach„ fahrlässig verhalten. Und da der Vater trotz zeitweiliger Überlassung des Pkws an den Sprössling tatsächlich Halter und Eigentümer des Fahrzeugs geblieben sei, gehe das fahrerische Fehlverhalten ohnehin nicht zu seinen Lasten.

Sachverhalt

Der Sohn des klagenden Versicherungsnehmers war zu nächtlicher Stunde mit dem Auto seines Vaters unterwegs. An einem Stoppschild hielt der gerade 19-Jährige nicht an, sondern fuhr in die Vorfahrtsstraße ein – und gegen ein von links kommendes Fahrzeug. Schaden am väterlichen Pkw: mehr als 6.000,- €. Unter Abzug der Selbstbeteiligung verlangte der Kläger nun rund 5.800,- € von seiner Vollkaskoversicherung. Die zahlte aber nicht. Begründung: Man sei wegen grober Fahrlässigkeit des Fahrers leistungsfrei.

Gerichtsentscheidung

Das angerufene Landgericht Coburg sah es anders. Da der Sohn des Klägers bei Annäherung an die Kreuzung die Geschwindigkeit stark verringert und den bevorrechtigten Pkw wohl lediglich übersehen habe, erscheine das subjektive Verschulden des Fahrers in einem milderen Licht. Außerdem habe die Beweisaufnahme ergeben, dass der Vater die wesentlichen Unterhaltungskosten für das Kfz selbst getragen und längere Fahrten des Nachwuchses von seiner Erlaubnis abhängig gemacht habe. Der Sohn sei deshalb im Verhältnis zur Versicherung nicht „Repräsentant„ des Klägers, sein Verhalten damit nicht maßgebend – und die Klage begründet. Erst als das von der Versicherung angerufene OLG Bamberg darauf hinwies, dass es die Sache genauso und insbes. kein grobes Verschulden sehe, akzeptierte die Assekuranz das Urteil.

Fazit

Vollkaskoversicherte Väter können während nächtlicher Spritztouren ihres Nachwuchses – jedenfalls in finanzieller Hinsicht – etwas beruhigter schlafen.

(Landgericht Coburg, Urteil vom 26.2.2002, Az: 11 O 752/01; OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 14.5.2002, Az: 1 U 47/02)

Zur Rechtslage:

Wie in allen anderen Versicherungszweigen auch muss die Versicherung im Vollkasko-Bereich nicht zahlen, wenn der Schaden durch grobe Fahrlässigkeit des Versicherten entsteht. Fährt der Fahrer trotz Stoppschilds ungebremst und mit nicht unerheblicher Geschwindigkeit bzw. ohne auf vorfahrtsberechtigten Verkehr zu achten in die Kreuzung ein, nehmen die Gerichte regelmäßig grobe Fahrlässigkeit an. Ist der Versicherungsnehmer nicht selbst Fahrer, erlischt sein Leistungsanspruch bei grober Fahrlässigkeit des Fahrers nur, wenn dieser als “Repräsentant” anzusehen ist. Das bejahen die Gerichte immer dann, wenn dem Fahrer die Obhut über das Kfz vollständig überlassen und sich selbst jeder Verantwortlichkeit über die Sache begeben hat.

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 61 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) [Schuldhafte Herbeiführung des Versicherungsfalles]:

Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt.