LG Coburg: Zum Ermessen der Kfz-Haftpflichtversicherung im Rahmen der Unfallschadensregulierung

V e r s i c h e r u n g s r e c h t

Zum Ermessen der Kfz-Haftpflichtversicherung im Rahmen der Unfallschadensregulierung

Kurzfassung

Verkehrsunfälle mit Blechschäden: jährlich für Legionen deutscher Autofahrer mehrfaches Ärgernis. Erst der Crash selbst, nicht selten auch der eigene Wagen demoliert, dann möglicherweise langwierige Korrespondenzen mit den Versicherungen, eventuell auch unliebsame Kontakte mit der Polizei. Und dann oft – letzter Tropfen ins übervolle Fass – die nächste Beitragsrechnung der Haftpflichtversicherung. Der “Schadensfreiheitsrabatt” (SF) – nach oben geschnellt (und damit auch die Prämie), weil die Versicherung an den Unfallgegner zahlte.

Mitunter zusätzlicher Grund zur Erregung, dass der Versicherte nicht recht einsieht, am Unfall schuld gewesen zu sein. Doch der Versicherung steht bei der Regulierung ein relativ weites Ermessen zu. Und weil das nicht überschritten wurde, wies das Landgericht Coburg in letzter Instanz die Klage eines Versicherten ab, der seiner Haftpflicht vorwarf, übereilt den Schaden des Gegners beglichen zu haben. Um seinen alten “SF” nicht zu verlieren, hatte er den Betrag (etwa 1650,- DM) erst einmal an die Versicherung überwiesen – und wollte das Geld nun bei Beibehaltung des günstigen Beitragssatzes zurück.

Sachverhalt

Der Kläger war in Italien unterwegs und wollte eine Vorfahrtsstraße überqueren, auf der sich von rechts der “Unfallgegner” näherte. Der Kläger behauptete, der andere habe rechts geblinkt. Deshalb sei er über die Straße bis zu einer Verkehrsinsel gefahren und habe dort den Kontrahenten passieren lassen wollen. Damit wurde es aber nichts: der andere nämlich bremste scharf und landete just auf der Verkehrsinsel. Selber schuld, meinte der Kläger. Die herbeigerufenen Carabinieri sahen es aber anders und verwarnten ihn wegen Vorfahrtverletzung. Entgegen der Anweisung des Klägers beglich dann auch die eigene Haftpflicht nach Einsicht in die polizeiliche Ermittlungsakte voll den Schaden des auf der Insel Gestrandeten. Darin sah der Kläger eine Verletzung des Versicherungsvertrages, zumal seine Ehefrau als Zeugin nicht vernommen worden sei: er müsse so gestellt werden, als ob keine Zahlungen durch die Versicherung erfolgt wären.

Gerichtsentscheidung

Vor dem Amtsgericht Coburg in erster und dem Landgericht Coburg in zweiter Instanz lief aber der Kläger seinerseits auf Grund. Die Landrichter führten in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht aus, dem Versicherer stehe bei der Schadensregulierung ein Ermessen zu. Darin dürfe er auch prozesstaktische und wirtschaftliche Erwägungen einfließen lassen. Natürlich müsse er sich ein hinreichend genaues Bild über die Umstände verschaffen, die Rechtslage prüfen und Erfolgsaussichten abschätzen. Nur wenn eine solche Prüfung völlig unterbleibe und die Versicherung gewissermaßen “auf gut Glück” zahle oder schuldhaft falsch prüfe, müsse der Versicherte die Regulierung nicht gegen sich gelten lassen. Im zu entscheidenden Fall habe die Versicherung die Ermittlungsakte ausgewertet. Fehleinschätzungen seien nicht erkennbar: auch in Italien erstrecke sich die Vorfahrt über die gesamte Straßenbreite, so dass ein Vorfahrtsverstoß (und damit ein erhebliches Mitverschulden) des Klägers immer bleibe. Und auf eine derart risikobehaftete Prozessführung außerhalb Deutschlands brauche sich die Versicherung nicht einzulassen.

Der “SF” des Klägers bleibt damit zwar unverändert – aber nur, weil er sich das die 1650,- DM kosten ließ.

(AG Coburg, Az. 15 C 396/00; Landgericht Coburg, Az. 32 S 111/00; rechtskräftig)

Zur Rechtslage:

Aufgrund der praktisch immer bei Abschluss des Versicherungsvertrages vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (das “Kleingedruckte”) ist die Kfz-Haftpflichtversicherung im Verhältnis zum Versicherungsnehmer berechtigt, die Regulierung von Schadensfällen selbständig zu betreiben. Sie ist dabei auch nicht an Weisungen des Versicherten gebunden.

Die entsprechenden Klauseln in den Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung (AKB) lauten:

§ 7 II (5) AKB:

Wenn es zu einem Rechtsstreit kommt, hat der Versicherungsnehmer die Führung des Rechtsstreites dem Versicherer zu überlassen, auch dem vom Versicherer bestellten Anwalt Vollmacht und jede verlangte Aufklärung zu geben.

§ 10 (5) AKB:

Der Versicherer gilt als bevollmächtigt, im Namen der versicherten Personen Ansprüche (…) zu befriedigen und/ oder abzuwehren und alle dafür zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens abzugeben.