LG Coburg: In Fußgängerunterführung Fahrräder lieber schieben

Zur Frage, ob ein Gemeinde haftet, wenn ein Radfahrer gegen einen Absperrbügel in einer Fußgängerunterführung fährt und sich dabei verletzt

Kurzfassung

Die freie Fahrt für Fahrräder endet, wo das Fahren durch Schilder Fahrzeugen aller Art verboten ist. Deshalb darf eine Gemeinde die Einhaltung dieses Verbots z. B. in einer Fußgängerunterführung durch Absperrbügel sicherstellen. Fährt ein Radler gegen dieses Hindernis, so kann er nicht Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen „Verletzung der Verkehrssicherungspflicht„ verlangen.

Das entschied nun das Landgericht Coburg und wies die Klage einer zum Unfallzeitpunkt Neunjährigen auf Schmerzensgeld von mindestens 3.000,- DM und Schadensersatz ab. Mit dem Anbringen der verkehrbehindernden Maßnahmen habe die Gemeinde nicht gegen ihre Pflichten verstoßen. Im Gegenteil: die Absperrbügel seien zum Schutz der Fußgänger gerade geboten und könnten nicht zugleich gegenüber Radfahrern eine Haftung begründen.

Sachverhalt

Die beklagte Kommune hatte in einer Fußgängerunterführung zwei metallene Absperrbügel angebracht. Die Oberkanten der ca. einen Meter versetzt angebrachten Hindernisse waren mit Reflektorbändern versehen. Nur drei Tage nach der Aufstellung fuhr die damals neunjährige Klägerin mit ihrem Fahrrad ungebremst gegen einen Bügel und brach sich einen Oberschenkelknochen. Sie war der Ansicht, dafür müsse die Gemeinde haften. Zumindest für eine angemessene Übergangszeit seien zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen nötig gewesen, um vor allem radfahrende Kinder und Jugendliche auf die neue Gefahrenquelle hinzuweisen. Diese Verletzung der Verkehrssicherungspflicht rechtfertige ein Schmerzensgeld von 3.000,- DM. Die Kommune stritt einen eigenen Fehler ab und verweigerte jegliche Zahlung.

Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Coburg gab der Beklagten nach Besichtigung der Unfallörtlichkeit Recht. Entscheidendes Kriterium sei, dass die Unfallstelle innerhalb eines ausschließlich für den Fußgängerverkehr freigegebenen Bereiches liege. Die Klägerin habe daher die Unterführung nicht mit einem Fahrrad befahren dürfen. Dies habe ihr auch angesichts des bereits mit Beginn der Schulpflicht praktizierten Verkehrsunterrichts bewusst sein müssen. Wer trotz entsprechender Beschilderung in für Fahrzeuge gesperrtes Terrain einfahre, müsse zudem mit Hindernissen wie den Absperrbügeln rechnen. Darüber hinaus seien die Bügel für einen aufmerksamen Verkehrsteilnehmer deutlich erkennbar. Der Unfall sei damit allein auf die höchst verkehrswidrige Fahrweise der Klägerin zurückzuführen.

Fazit

Auch wer seine eigene Gesundheit liebt, schiebt – jedenfalls wenn das Fahren verboten ist.

(Landgericht Coburg, Az: 23 O 96/01; rechtskräftig)

Zur Rechtslage:

Mit „Verkehrssicherungspflicht„ umschreiben die Juristen den allgemeinen Rechtsgedanken, dass derjenige, der im allgemeinen Verkehr eine Gefahrenquelle schafft oder für diese verantwortlich ist, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter vor dieser Gefahr vorzunehmen hat. Diese Pflicht trifft immer den, der über die gefahrträchtige Sache verfügen kann. Bei öffentlichen Wegen und Straßen sind dies die Träger der Straßenbaulast – im vorliegenden Fall also die Gemeinde. Die Verletzung einer solchen Pflicht kann zu einem Schadensersatz-/ Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten führen.

Maßgebliche Normen:

§ 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) [Schadensersatzpflicht]:

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalte des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

§ 847 BGB [Schmerzensgeld]:

(1) Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung kann der Verletzte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen.

(2) (…)