BVerfG: Vorschriften über den Ausschluss von Minderheitsaktionären mit dem Grundgesetz vereinbar

Nach den §§ 327 a ff. Aktiengesetz kann ein Hauptaktionär, dem
mindestens 95 % des Grundkapitals der betroffenen Gesellschaft gehören,
durch einen Übertragungsbeschluss die verbleibenden Minderheitsaktionäre
aus der Aktiengesellschaft ausschließen. Diese Möglichkeit des „Squeeze-
out“ ist zum 1. Januar 2002 in das Aktiengesetz eingefügt worden. Die
Minderheitsaktionäre sind vom Hauptaktionär in Geld abzufinden. Wirksam
wird der Übertragungsbeschluss mit Eintragung in das Handelsregister.
Wird der Übertragungsbeschluss von den Minderheitsaktionären
angefochten, hindert dies in der Regel die Handelsregistereintragung.
Eine Beschleunigung kann aber erreicht werden, wenn das betroffene
Unternehmen im Rahmen eines Freigabeverfahrens ein Vorziehen der
Handelsregistereintragung trotz der noch anhängigen Anfechtungsklage
erreicht.

Die Beschwerdeführer waren Minderheitsaktionäre einer mittelständischen,
börsennotierten Aktiengesellschaft. Auf Antrag des Hauptaktionärs, der
98,36 % des Kapitals hielt, beschloss die Gesellschaft den Ausschluss
der Minderheitsaktionäre. Hiergegen erhoben die Beschwerdeführer
Anfechtungsklage. Daraufhin erwirkte die Gesellschaft einen
gerichtlichen Beschluss über die vorzeitige Eintragung des Ausschlusses
in das Handelsregister. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde
wurde von der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts
nicht zur Entscheidung angenommen. Die Vorschriften über den Ausschluss
von Minderheitsaktionären seien verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Die Vorschriften über den Ausschluss von Minderheitsaktionären aus
§§ einer Aktiengesellschaft verletzen nicht deren Eigentumsgrundrecht.
§§ Der Gesetzgeber verfolgt mit den Regelungen einen legitimen Zweck.
§§ Minderheitsaktionäre können die Durchsetzung unternehmerischer
§§ Entscheidungen gegen die Stimmenmehrheit des Hauptaktionärs zwar im
§§ Regelfall nicht verhindern. Unter Umständen sind sie aber in der
§§ Lage, die vom Hauptaktionär als sinnvoll erachteten unternehmerischen
§§ Entscheidungen und Maßnahmen zu verzögern. Zu berücksichtigen ist in
§§ diesem Zusammenhang, dass die Zahl der Anfechtungsklagen gegen
§§ Hauptversammlungsbeschlüsse seit Anfang der 1980er Jahre signifikant
§§ angestiegen und die Mehrzahl der Klagen von privaten Anlegern mit
§§ Kleinstbesitz erhoben worden ist. Angesichts dessen liegt die
§§ Einschätzung des Gesetzgebers nicht fern, dass Minderheitsaktionäre
§§ verschiedentlich Kleinstbeteiligungen ausnutzen, um den Hauptaktionär
§§ bei der Unternehmensführung zu behindern und ihn zu finanziellen
§§ Zugeständnissen zu veranlassen.

§§ Demgegenüber stellt die Aktie für Minderheitsaktionäre typischerweise
§§ eher eine Kapitalanlage als eine unternehmerische Beteiligung dar.
§§ Angesichts dessen ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht
§§ verwehrt, die Schutzvorkehrungen zugunsten des Minderheitsaktionärs
§§ auf die vermögensrechtliche Komponente der Anlage zu konzentrieren.
§§ Mit dem Erfordernis eines Quorums von 95 % Aktienbesitz beim
§§ Hauptaktionär ist sichergestellt, dass nur Aktionäre ausgeschlossen
§§ werden, deren Anlageinteresse sich angesichts des Fehlens realer
§§ Einwirkungsmöglichkeiten auf die Unternehmensführung auf die
§§ vermögensrechtliche Komponente konzentriert.

2. Die angegriffenen Regelungen gewährleisten auch einen angemessenen
§§ Wertersatz für den ausgeschlossenen Aktionär. Der Gesetzgeber hat
§§ dies dadurch sichergestellt, dass die Angemessenheit der Abfindung
§§ bereits vorab durch einen gerichtlich ausgewählten und bestellten
§§ Sachverständigen überprüft wird. Unabhängig davon gewährleistet das
§§ Spruchverfahren, dass etwaige Fehleinschätzungen des Gutachters
§§ nachträglich korrigiert werden können.

3. Das vom Gesetzgeber bereitgestellte Anfechtungsverfahren
§§ gewährleistet den Betroffenen effektiven Rechtsschutz. Dies gilt auch
§§ im Hinblick auf das Freigabeverfahren. Zweck des Freigabeverfahrens
§§ ist es, die „Registersperre“ zu überwinden, die bei Erhebung einer
§§ Anfechtungsklage eintritt. Ohne derartige verfahrensrechtliche
§§ Regelungen bestünde die Gefahr, dass das Squeeze-out selbst
§§ weitgehend wirkungslos wird. Minderheitsaktionäre wären nach wie vor
§§ in der Lage, die Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen durch die
§§ Erhebung von Anfechtungsklagen für geraume Zeit zu verhindern.