Beschwerdeführer sind Prinzessin Caroline von Hannover und zwei
Presseverlage. Die Verlegerin der Zeitschrift “Frau im Spiegel” hatte
über eine Erkrankung des Fürsten Rainier von Monaco, über eine mögliche
Teilnahme der Beschwerdeführerin an einem Gesellschaftsball sowie über
einen beliebten Wintersportort berichtet und den Beiträgen jeweils
Fotografien beigegeben, welche die Beschwerdeführerin zusammen mit
ihrem Ehemann im Urlaub zeigen. Die Verlegerin der Zeitschrift “7 Tage”
hatte über die Vermietung einer Ferienvilla der Eheleute berichtet und
diesen Beitrag mit einem Foto bebildert, das die Beschwerdeführerin
zusammen mit ihrem Ehemann im Urlaub zeigt.
Die Unterlassungsklagen der Beschwerdeführerin Caroline von Hannover
vor den Zivilgerichten waren gegen die Bildberichterstattung gerichtet.
Der Bundesgerichtshof ließ nur die Veröffentlichung des Fotos zu, mit
dem der Beitrag über eine Erkrankung des Fürsten von Monaco bebildert
war. Im Übrigen bestätigte er das von den Vorinstanzen ausgesprochene
Verbot, insbesondere billigte er das Verbot des Fotos, das dem Beitrag
über die Vermietung der Ferienvilla beigegeben war.
Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführerin Caroline von Hannover
und der Verlegerin der Zeitschrift “Frau im Spiegel” hatten keinen
Erfolg. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest,
dass der Bundesgerichtshof die berührten Belange beider Parteien in
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einander zugeordnet
und dabei auch die maßgeblichen Vorgaben aus der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigt hat (1 BvR
1602/07 und 1 BvR 1626/07).
Die Verfassungsbeschwerde des die Zeitschrift “7 Tage” verlegenden
Verlages hatte dagegen Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen
verletzen den Verlag in seiner Pressefreiheit. Den Erwägungen der
Gerichte lässt sich nicht zureichend entnehmen, warum der Gegenstand
der Wortberichterstattung, der die Vermietung der Ferienvilla betrifft,
nicht die Beigabe einer visuellen Darstellung der Beschwerdeführerin
rechtfertigt (1 BvR 1606/07).
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
§ I. Die Grundrechte der Pressefreiheit und des Schutzes der
§§§§ Persönlichkeit sind nicht vorbehaltlos gewährleistet. Zu den die
§§§§ Pressefreiheit beschränkenden allgemeinen Gesetzen zählen unter
§§§§ anderem die Vorschriften der §§ 22 ff. des Kunsturhebergesetzes
§§§§ (KUG) und die Rechtsgrundsätze des zivilrechtlichen
§§§§ Persönlichkeitsschutzes, aber auch das in Art. 8 EMRK verankerte
§§§§ Recht auf Achtung des Privatlebens. Die in dem Kunsturhebergesetz
§§§§ enthaltenen Regelungen sowie die von Art. 10 EMRK verbürgte
§§§§ Äußerungsfreiheit beschränken zugleich als Bestandteil der
§§§§ verfassungsmäßigen Ordnung den Persönlichkeitsschutz.
§§§§ Auch die “bloße Unterhaltung” nimmt am Schutz der Pressefreiheit
§§§§ teil. Unterhaltung kann wichtige gesellschaftliche Funktionen
§§§§ erfüllen, so wenn sie Realitätsbilder vermittelt und
§§§§ Gesprächsgegenstände zur Verfügung stellt, an die sich
§§§§ Diskussionsprozesse anschließen können, die sich auf
§§§§ Lebenseinstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster beziehen.
§§§§ Der Schutz der Pressefreiheit umfasst auch unterhaltende Beiträge
§§§§ über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen und ihres
§§§§ sozialen Umfelds, insbesondere der ihnen nahestehenden Personen.
§§§§ Es würde die Pressefreiheit in einer mit Art. 5 Abs. 1 GG
§§§§ unvereinbaren Weise einengen, bliebe die Lebensführung dieses
§§§§ Personenkreises einer Berichterstattung außerhalb der von ihnen
§§§§ ausgeübten Funktionen entzogen. Dabei dürfen nicht nur skandalöse,
§§§§ sittlich oder rechtlich zu beanstandende Verhaltensweisen, sondern
§§§§ auch die Normalität des Alltagslebens und in keiner Weise
§§§§ anstößige Handlungsweisen prominenter Personen der Öffentlichkeit
§§§§ vor Augen geführt werden, wenn dies der Meinungsbildung zu Fragen
§§§§ von allgemeinem Interesse dienen kann.
§II. Von der Pressefreiheit ist die Befugnis der Massenmedien umfasst,
§§§§ selbst zu entscheiden, was sie für berichtenswert halten. Dabei
§§§§ haben sie den Persönlichkeitsschutz Betroffener zu
§§§§ berücksichtigen. Im Streitfall allerdings obliegt die maßgebliche
§§§§ Gewichtung des Informationsinteresses bei der Abwägung mit
§§§§ gegenläufigen Interessen der Betroffenen den Gerichten. Im Zuge
§§§§ der Gewichtung des Informationsinteresses haben diese allerdings
§§§§ von einer inhaltlichen Bewertung der Darstellung als wertvoll oder
§§§§ wertlos abzusehen und sind auf die Prüfung und Feststellung
§§§§ begrenzt, in welchem Ausmaß der Bericht einen Beitrag für den
§§§§ Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu leisten vermag. Für
§§§§ die Gewichtung des Persönlichkeitsschutzes wird neben den
§§§§ Umständen der Gewinnung der Abbildung etwa durch Ausnutzung von
§§§§ Heimlichkeit oder beharrliche Nachstellung auch bedeutsam, in
§§§§ welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt
§§§§ wird. Dem Schutzanspruch des Persönlichkeitsrechts kann insoweit
§§§§ auch außerhalb der Voraussetzungen einer örtlichen
§§§§ Abgeschiedenheit ein erhöhtes Gewicht zukommen, so wenn die
§§§§ Medienberichterstattung den Betroffenen in Momenten der
§§§§ Entspannung und des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in
§§§§ die Pflichten des Berufs und Alltags erfasst, wenn er erwarten
§§§§ darf, keinen Bildnachstellungen ausgesetzt zu sein. Das
§§§§ Schutzbedürfnis ist infolge des Fortschritts der Aufnahmetechnik
§§§§ und der Verfügbarkeit kleiner Aufnahmegeräte gestiegen.
§§§§ Äußerungen in der und durch die Presse wollen in der Regel zur
§§§§ Bildung der öffentlichen Meinung beitragen. Das Grundrecht aus
§§§§ Art. 5 Abs. 1 GG gebietet allerdings nicht, generell zu
§§§§ unterstellen, dass mit jedweder visuellen Darstellung aus dem
§§§§ Privat- und Alltagsleben prominenter Personen ein Beitrag zur
§§§§ Meinungsbildung verbunden ist. Auch bisher hat das
§§§§ Bundesverfassungsgericht nicht anerkannt, dass die Presse einen
§§§§ schrankenlosen Zugriff auf Personen der Zeitgeschichte nehmen
§§§§ darf, sondern hat Bildveröffentlichungen nur insoweit als
§§§§ gerechtfertigt angesehen, als dem Publikum sonst Möglichkeiten der
§§§§ Meinungsbildung vorenthalten werden. Verfassungsrechtlich nicht
§§§§ gewährleistet ist demgegenüber, dass eine Person von
§§§§ zeitgeschichtlichem Interesse bei Aufenthalten außerhalb einer
§§§§ Situation räumlicher Abgeschiedenheit stets und ohne
§§§§ Beschränkungen für die Zwecke medialer Berichterstattung
§§§§ fotografiert werden darf.
III. Es ist Sache der Fachgerichte, den Informationswert einer
§§§§ Berichterstattung und ihrer Bebilderung anhand des Bezugs zur
§§§§ öffentlichen Meinungsbildung zu ermitteln und der Pressefreiheit
§§§§ abwägend die mit der Gewinnung und Verbreitung einer Abbildung
§§§§ verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsschutzes
§§§§ gegenüber zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht ist auf die
§§§§ Nachprüfung beschränkt, ob die Fachgerichte bei der Auslegung und
§§§§ Anwendung der Vorschriften des einfachen Rechts und insbesondere
§§§§ bei der Abwägung miteinander kollidierender Rechtsgüter den
§§§§ Grundrechtseinfluss sowie die auch verfassungsrechtlich zu
§§§§ beachtenden Maßgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention
§§§§ ausreichend beachtet haben. Dass das Abwägungsergebnis auch anders
§§§§ hätte ausfallen können, ist kein hinreichender Grund für die
§§§§ verfassungsgerichtliche Korrektur einer Entscheidung der
§§§§ Fachgerichte.
§IV. Nach diesen Maßstäben gilt im konkreten Fall folgendes:
§§§§ 1. Der Bundesgerichtshof war verfassungsrechtlich nicht
§§§§§§§ grundsätzlich gehindert, bei der rechtlichen Beurteilung der
§§§§§§§ Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Bildberichterstattung
§§§§§§§ von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen und sein
§§§§§§§ Schutzkonzept durch einen Verzicht auf eine Nutzung der bisher
§§§§§§§ in Anlehnung an die Literatur entwickelten Rechtsfigur der
§§§§§§§ Person der Zeitgeschichte zu modifizieren. Da der Begriff der
§§§§§§§ Person der Zeitgeschichte verfassungsrechtlich nicht vorgegeben
§§§§§§§ ist, steht es den Fachgerichten von Verfassungs wegen frei, ihn
§§§§§§§ in Zukunft nicht oder nur noch begrenzt zu nutzen und
§§§§§§§ stattdessen im Wege der einzelfallbezogenen Abwägung über das
§§§§§§§ Vorliegen eines Bildnisses aus dem “Bereich der Zeitgeschichte”
§§§§§§§ zu entscheiden.
§§§§ 2. Nach den aufgezeigten Maßstäben erweisen sich die
§§§§§§§ Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin Caroline von
§§§§§§§ Hannover und des die Zeitschrift “Frau im Spiegel” verlegenden
§§§§§§§ Verlages als nicht begründet. Der Bundesgerichtshof hat die
§§§§§§§ berührten Belange beider Parteien in verfassungsrechtlich nicht
§§§§§§§ zu beanstandender Weise zugeordnet und dabei auch die
§§§§§§§ maßgeblichen Vorgaben aus der Rechtsprechung des Europäischen
§§§§§§§ Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigt. Insbesondere
§§§§§§§ durfte der Bundesgerichtshof – auch nach den Maßstäben der
§§§§§§§ Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – in der
§§§§§§§ Berichterstattung über eine Erkrankung des regierenden Fürsten
§§§§§§§ von Monaco ein Ereignis von allgemeinem Interesse sehen, das
§§§§§§§ einen hinreichenden Bezug zu der veröffentlichten Abbildung
§§§§§§§ aufweist.
§§§§ 3. Hingegen ist die Pressefreiheit verletzt, indem der Verlegerin
§§§§§§§ der Zeitschrift “7 Tage” die Beigabe einer visuellen
§§§§§§§ Darstellung der Beschwerdeführerin zu einem Beitrag über die
§§§§§§§ Vermietung einer Ferienvilla in Kenia verboten worden ist. Die
§§§§§§§ Gerichte haben es unterlassen, den Informationsgehalt des
§§§§§§§ Berichts näher zu würdigen, der in der Zeitschrift mit den
§§§§§§§ Worten eingeleitet werden war “Auch die Reichen und Schönen
§§§§§§§ sind sparsam. Viele vermieten ihre Villen an zahlende Gäste”.
§§§§§§§ In dem Bericht ging es nicht um die Beschreibung einer
§§§§§§§ Urlaubsszene als Teil des Privatlebens. Vielmehr wurde ein
§§§§§§§ Bericht über die Vermietung einer Ferienvilla der Eheleute
§§§§§§§ und über ähnliche Aktionen anderer Prominenter§§ mit wertenden
§§§§§§§ Anmerkungen kommentiert, die Anlass für sozialkritische
§§§§§§§ Überlegungen der Leser sein können. Die auf dem verwendeten
§§§§§§§ Lichtbild dargestellte Situation lässt auch nichts dafür
§§§§§§§ erkennen, dass die Prinzessin von Hannover bei einer in
§§§§§§§ besonderem Maße typischen Entspannungsbedürfnissen gewidmeten
§§§§§§§ und daher gegenüber medialer Aufmerksamkeit und Darstellung in
§§§§§§§ erhöhtem Umfang schutzbedürftigen Tätigkeit abgebildet worden
§§§§§§§ war. Das von dem Bundesgerichtshof bestätigte Verbot war daher
§§§§§§§ aufzuheben und muss erneut anhand der von dem Senat
§§§§§§§ aufgezeigten Maßstäbe überprüft werden.
Pressemitteilung Nr. 35/2008 vom 18. März 2008
Beschluss vom 26. Februar 2008
– 1 BvR 1602/07; 1 BvR 1606/07; 1 BvR 1626/07 –