BVerfG: Gesetzgeber darf die Leistungen der GKV für künstliche Befruchtung auf Ehepaare beschränken

Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass der Gesetzgeber die
Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen für eine künstliche
Befruchtung auf Personen beschränkt, die miteinander verheiratet sind.
Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil
vom 28. Februar 2007 auf eine Vorlage des Sozialgerichts Leipzig. (Zum
Sachverhalt vgl. Pressemitteilung Nr. 76 vom 29. August 2006)

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt nicht vor.
Zwar schließt das Gesetz die gesetzlich versicherten Partner einer

nichtehelichen Lebensgemeinschaft von der Sachleistung einer

medizinischen Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft aus.

Sie werden dadurch im Verhältnis zu Ehepaaren finanziell

benachteiligt und müssen, wenn sie die gewünschte künstliche

Befruchtung vornehmen wollen, die gesamten Kosten dafür selbst

tragen.

Die Ungleichbehandlung wäre im System der gesetzlichen

Krankenversicherung nicht zu rechtfertigen, würde die künstliche

Befruchtung der Beseitigung einer Krankheit dienen. Dann hätte die

Vorschrift, würde sie eine solche Leistung der gesetzlichen

Krankenkasse nur Verheirateten, nicht aber unverheirateten Personen

zugute kommen lassen, vor dem allgemeinen Gleichheitssatz keinen

Bestand. Der Gesetzgeber hat jedoch medizinische Maßnahmen zur

Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht als Behandlung einer

Krankheit angesehen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu

beanstanden. Es liegt im Rahmen der grundsätzlichen Freiheit des

Gesetzgebers, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen

der gesetzlichen Krankenversicherung näher zu bestimmen, auch in

einem Grenzbereich zwischen Krankheit und solchen körperlichen und

seelischen Beeinträchtigungen eines Menschen, deren Beseitigung oder

Besserung durch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht

von vornherein veranlasst ist.

Der Gesetzgeber hatte hinreichende sachliche Gründe, die Gewährung

von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Herbeiführung

einer Schwangerschaft auf Ehepaare zu beschränken. Er durfte daran

anknüpfen, dass das Bürgerliche Gesetzbuch in Ehegatten Partner einer

auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft sieht und sie gesetzlich

anhält, füreinander Verantwortung zu tragen. In der nichtehelichen

Lebensgemeinschaft kann diese Verantwortung nur freiwillig

wahrgenommen werden. Es liegt im Einschätzungsermessen des

Gesetzgebers, dass er die eheliche Partnerschaft als besonders

geeignet ansieht, die mit den in Frage stehenden medizinischen

Maßnahmen verbundenen Belastungen und Risiken gemeinsam zu

bewältigen. Der Gesetzgeber durfte die Ehe auch wegen ihres

besonderen rechtlichen Rahmens als eine Lebensbasis für ein Kind

ansehen, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine

nichteheliche Partnerschaft. So ist die Ehe auf Lebenszeit angelegt

und nur unter den Voraussetzungen der Aufhebung oder Scheidung wieder

auflösbar, während nichteheliche Partnerschaften jederzeit beendet

werden können. Die ehelichen Bindungen bieten einem Kind

grundsätzlich mehr rechtliche Sicherheit, von beiden Elternteilen

betreut zu werden. Auch sind Ehegatten einander gesetzlich

verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie zu

unterhalten. Dieser Unterhalt ist mit auf die Bedürfnisse der

gemeinsamen Kinder ausgerichtet, begünstigt auch sie und bestimmt

maßgeblich ihre wirtschaftliche und soziale Situation. Eine solche

Verpflichtung besteht bei Partnern einer nichtehelichen

Lebensgemeinschaft nicht.

2. Ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlich garantierten Schutz von
Ehe und Familie liegt ebenfalls nicht vor. Art. 6 Abs. 1 GG kann

keine Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden, die Entstehung

einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen

Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu

fördern. Es wäre dem Gesetzgeber allerdings verfassungsrechtlich

nicht verwehrt, auch nichtehelichen Partnern den Weg einer

Finanzierung der künstlichen Befruchtung durch die gesetzliche

Krankenversicherung zu öffnen.

Pressemitteilung Nr. 22/2007 vom 28. Februar 2007

Zum Urteil vom 28. Februar 2007 – 1 BvL 5/03 –