OLG Zweibrücken: Mordverdacht bedeutet nicht automatisch Untersuchungshaft

Mit dem ganz und gar außergewöhnlichen Fall einer staatsanwaltschaftlichen Haftbeschwerde hatte es der 1. Strafsenat zu tun. Die in der Pfalz wohnende Tochter des kurz nach Kriegsende auf tschechischem Staatsgebiet erschossenen Tatopfers hatte den in Prag lebenden Tatverdächtigen ausfindig gemacht und angezeigt. Die in Tschechien geführten Ermittlungen bestätigten den Verdacht, dass der Beschuldigte gemeinsam mit Tatgenossen in einem Dorf, das im früheren “Protektorat Böhmen und Mähren” gelegen war, nach Kriegsende als Vergeltung gegen die deutschstämmige Bevölkerung vierzehn Bewohner erschossen hatte. Da in Tschechien Mord nach zwanzig Jahren verjährt, wurde das Verfahren dort jedoch eingestellt. Daraufhin wurden die Ermittlungen in Deutschland fortgesetzt, wo 1978 die Verjährung für Straftaten des Mordes und Völkermordes abgeschafft worden ist. Da der Tatverdächtige die tschechische Staatsbürgerschaft besitzt, wird er allerdings von seinem Heimatstaat nicht in die Bundesrepublik ausgeliefert. Dennoch hat d Zwar hat der Strafsenat die Zuständigkeit der deutschen Strafverfolgungsbehörden bejaht, da die Straftat zwar im völkerrechtlichen Sinne im Ausland, jedoch gegenüber einem Deutschen begangen wurde. Auch die Verjährung der Tat nach tschechischem Recht steht der Strafverfolgung in Deutschland nicht entgegen, da hier eine Verfolgungsverjährung bei Mordverdacht nicht eintritt. Letztlich fehlt es jedoch an dem für den Erlass eines Haftbefehls erforderlichen Haftgrund. Es ist nämlich nicht zu befürchten, dass sich der achtzigjährige Beschuldigte, der seit Jahrzehnten seinen Lebensmittelpunkt in Prag hat, durch sein Verhalten dem Strafverfahren entziehen wird. Dass er sich diesem Verfahren nicht durch Ausreise in die Bundesrepublik selbst stellt, ist ihm nicht vorzuwerfen und reicht nicht für die Anordnung der Untersuchungshaft, die ohnehin nicht in Tschechien vollstreckt werden könnte.

1. Strafsenat, Beschluss vom 6. November 2002 – 1 Ws 484/02