Nach § 113 Strafgesetzbuch wird der Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft. § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB enthält eine
Strafandrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren u.a. für den Fall,
dass die Widerstandshandlung gegen Vollstreckungsbeamte mit einer Waffe
ausgeübt wird.
Diese Vorschrift darf nicht so weit ausgelegt werden, dass unter dem
Begriff der “Waffe” alle Gegenstände verstanden werden, die für andere
Personen möglicherweise gefährlich sind. Kraftfahrzeuge, auch wenn sie
im konkreten Fall dazu benutzt werden können, einer anderen Person
Verletzungen zuzufügen, fallen jedenfalls nicht darunter. Dies entschied
die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts. Damit
war die Verfassungsbeschwerde eines Beschwerdeführers, der wegen
Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte unter Anwendung der
Strafschärfungsvorschrift des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB zu einer
Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt worden war, erfolgreich. Der
Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der – leicht alkoholisierte – Beschwerdeführer wurde wegen eines
Verkehrsverstosses von einer Polizeistreife kontrolliert. Obwohl sich
der kontrollierende Polizeibeamte mit seinem Oberkörper im Fahrzeug
befand, legte der Beschwerdeführer den Rückwärtsgang ein und fuhr mit
Vollgas rückwärts, um den Polizeibeamten an der rechtmäßigen Kontrolle
zu hindern. Dadurch wurde der Polizeibeamte einige Meter mitgerissen,
ohne verletzt zu werden.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit
so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der
Straftatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch
Auslegung ermitteln lassen. Das schließt zwar eine Auslegung eines
Begriffs nicht generell aus, allerdings muss der Normadressat anhand der
konkreten gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten
strafbar ist oder nicht. Dabei hat er sich am Gesetzestext zu
orientieren. Deshalb markiert der mögliche Wortsinn des Gesetzes die
äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Ein
Personenkraftwagen ist vom möglichen Wortsinn des Begriffs der “Waffe”
in § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht mehr umfasst, da die bloße
Möglichkeit, einen Gegenstand auch in zweckentfremdender Benutzung zur
Bekämpfung von Zielen zu verwenden, zur Begründung der
“Waffeneigenschaft” nicht ausreicht.
Eine Regelung des Waffenbegriffs findet sich im Strafgesetzbuch nicht.
Der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwendete
“strafrechtliche Waffenbegriff” umfasst zwar nicht nur Waffen im Sinne
des Waffengesetzes, sondern allgemein körperliche Gegenstände, die nach
ihrer objektiven Beschaffenheit und ihrem Zustand zur Zeit der Tat bei
bestimmungsgemäßer Verwendung geeignet sind, erhebliche Verletzungen von
Menschen zu verursachen. Andere Gegenstände, die nicht bei
bestimmungsgemäßen Gebrauch, wohl aber nach ihrer objektiven
Beschaffenheit und der Art ihrer Benutzung im Einzelfall geeignet sind,
erhebliche Verletzungen zuzufügen, werden in den Vorschriften der §§ 224
Abs. 1 Nr. 2, 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a oder des § 250 Abs. 1 Nr. 1
Buchstabe a, Abs. 2 Nr. 1 StGB von Rechtsprechung und Schrifttum dagegen
dem Begriff des “gefährlichen Werkzeugs” zugeordnet. Der Gesetzgeber hat
im Rahmen der Strafrechtsreform bewusst darauf verzichtet, die
Vorschrift des § 113 Abs. 2 StGB um den Begriff des “gefährlichen
Werkzeugs” zu erweitern. Ein Kraftfahrzeug kann daher nicht als Waffe
angesehen werden, da es weder von der Zweckbestimmung noch von seinem
typischen Gebrauch her zur Bekämpfung anderer oder zur Zerstörung von
Sachen eingesetzt wird.
Pressemitteilung Nr. 82/2008 vom 18. August 2008
Beschluss vom 1. September 2008 – 2 BvR 2238/07 –