BVerfg: Vb gegen Ablehnung eines Antrags auf Rehabilitierung erfolgreich

Der 1955 geborene Beschwerdeführer befand sich von 1961 bis 1967 in
§Heimerziehung und anschließend zwangsweise bis Januar 1972 in
§verschiedenen Einrichtungen in der ehemaligen DDR. Der Beschwerdeführer
§beantragte in einem gesonderten Verfahren seine Rehabilitierung
wegen der Unterbringung in zwei Jugendwerkhöfen, die ihm mit Beschluss
§des Kammergerichts Berlin vom 15. Dezember 2004 nur im Hinblick auf
eine Heimunterbringung gewährt wurde. Im Dezember 2006 beantragte
der Beschwerdeführer beim Landgericht Magdeburg seine Rehabilitierung
§in Bezug auf die übrige Unterbringung in Kinderheimen der DDR; der
Antrag wurde vom Landgericht Magdeburg zurückgewiesen. Begründet wurde
die Zurückweisung u.a. mit der örtlichen Unzuständigkeit, aber auch
damit, dass eine Freiheitsentziehung nach § 2 StrRehaG bei Kinderheimen
und sonstigen Einrichtungen der Jugendhilfe der DDR ohne Strafcharakter
in der Regel nicht vorgelegen habe. Im Übrigen sei nicht ersichtlich,
dass die Einweisung in ein Kinderheim unter Zugrundelegung des Standes
der pädagogischen Wissenschaften im Jahr 1961 mit wesentlichen Grundsätzen
einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar gewesen sei.
Es fänden sich keine Hinweise für politische Verfolgung. Die dagegen
gerichtete Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht Naumburg zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde die Verletzung
seiner Menschenwürde nach Art. 1 GG sowie seines Persönlichkeitsrechts
nach Art. 2 GG und des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG im Hinblick
auf die ihm widerfahrene Behandlung in den verschiedenen Heimen.

Die 2. Kammer des Zweiten Senats hat den Beschluss aufgehoben und zur
erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Naumburg zurückverwiesen,
weil die Entscheidung den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus
Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot
verletzt. Die durch das Oberlandesgericht vorgenommene enge Auslegung, nur
Maßnahmen, die durch eine strafrechtlich relevante Tat veranlasst worden seien,
können nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz rehabilitiert
werden, hält verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht stand. Diese
Auslegung des § 2 StrRehaG ist sinnwidrig und führt im Hinblick auf das
Tatbestandsmerkmal der Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen einer
freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung in § 1 Abs. 1 StrRehaG auch über
den Wortlaut des Gesetzes hinaus zu einer unzulässigen Beschränkung der
Rehabilitierung von Freiheitsentziehungen auf Fälle, denen eine von der
DDR-Justiz als strafrechtlich relevant eingeordnete Tat zugrunde gelegen
hat. Mit dieser Auslegung wird die gesetzgeberische Absicht zunichte gemacht,
Freiheitsentziehungen auch außerhalb eines Strafverfahrens und über
Einweisungen in psychiatrische Anstalten hinaus, rehabilitierungsfähig zu
machen. Der Anwendungsbereich des Gesetzes wird dadurch in nicht vertretbarer, d
em gesetzgeberischen Willen entgegenstehender, Weise verengt. Es handelt
sich um eine krasse Missdeutung des Inhalts der Norm, die auf sachfremden und
damit willkürlichen Erwägungen beruht.

Pressemitteilung Nr. 56/2009 vom 4. Juni 2009

Beschluss vom 13. Mai 2009 – 2 BvR 718/08 –