BVerfG: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Wohnungsdurchsuchung und Beschlagnahme eines Mobiltelefons

Die Verfassungsbeschwerde (Vb) des Beschwerdeführers (Bf), der sich gegen die Durchsuchung seiner
Wohnung durch die Polizei und die anschließende Beschlagnahme seines Mobiltelefons wandte, war
erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats hob die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts
(AG) und Landgerichts (LG) auf und verwies die Sache an das LG zurück.

Sachverhalt:

Die Polizei ermittelte in einer Serie von Einbruch- und Autodiebstählen. Vor dem Haus, in dem der Bf
eine von 15 Wohnungen bewohnte, wurde ein Fahrzeug aufgefunden, das mit einem gestohlenen Kennzeichen
versehen war. Aufgrund des Hinweises eines Hausbewohners suchten Polizeibeamte gegen
17.00 Uhr den Bf in seiner Wohnung auf, der eine Verbindung zu dem Fahrzeug abstritt. Bei der Sicherstellung
des Fahrzeugs stellte die Polizei fest, dass das Fahrzeug bei der Diebstahlsserie entwendet worden
war. Gegen 19.00 Uhr suchten die Polizeibeamten den Bf erneut auf. Sie durchsuchten seine Wohnung
und beschlagnahmten sein Mobiltelefon, um eventuell geführte Gespräche in der Zeit zwischen dem
ersten und dem zweiten Aufsuchen zu ermitteln. Nach Auswertung der in dem Mobiltelefon und der
SIM-Karte gespeicherten Daten gab die Polizei das Gerät dem Bf zurück. Der Tatverdacht bestätigte
sich nicht.

Das AG erklärte die Durchsuchung und Beschlagnahme für rechtmäßig. Auf die Beschwerde des Bf hin
bestätigte das LG die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung. Zur Beschlagnahme stellte es fest, dass hierüber
nachträglich nicht mehr entschieden werden könne, da mit der Herausgabe des Mobiltelefons das
Rechtsschutzbedürfnis entfallen sei. Die Vb des Bf hatte Erfolg.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Bf in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG (Unverletzlichkeit
der Wohnung) und seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG (Gewährung effektiven
Rechtsschutzes).

Wohnungsdurchsuchung:

Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die für eine Wohnungsdurchsuchung grundsätzlich erforderliche
Anordnung durch einen Richter wegen Gefahr im Verzug entbehrlich gewesen sein könnte. In der Dokumentation
der Polizeibeamten, die nicht einmal den Versuch unternommen haben, einen richterlichen
Beschluss zu erwirken, finden sich keine Erwägungen zur besonderen Dringlichkeit der Durchsuchung.
Auch die nach dem ersten Aufsuchen neu gewonnenen Erkenntnisse ließen die Dringlichkeit der Durchsuchung
nicht offenkundig erscheinen. Im Gegenteil: Gerade wenn die Polizeibeamten den Bf nun einem
organisierten Täterkreis zurechneten, hätte sich ihnen die Überlegung aufdrängen müssen, dass er auf das
erste Aufsuchen gegen 17.00 Uhr reagieren und Beweismittel beiseite schaffen würde, so dass eine
Durchsuchung als zwecklos und unverhältnismäßig erscheinen musste.
Beschlagnahme des Mobiltelefons:

Um dem Bf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) zu gewähren, hätte das LG über die Frage der
Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme seines Mobiltelefons entscheiden müssen. Wegen des Gewichts des
Eingriffs muss die Möglichkeit einer nachträglichen Kontrolle offen stehen.
Die von den Polizeibeamten vorgenommene Aufzeichnung der in dem Gerät gespeicherten Verbindungsdaten
berührt den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG). Eingriffe in dieses
Grundrecht bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (Art. 10 Abs. 2 GG). Eine solche findet sich in den
§§ 100g und 100h StPO, die die Kenntnisnahme von Telekommunikationsverbindungsdaten regeln.
Danach können die geschäftsmäßigen Telekommunikationsdienstleister zur Auskunft über die Verbindungsdaten
verpflichtet werden. Voraussetzung hierfür ist, dass es um die Ermittlung einer Straftat von
erheblicher Bedeutung geht. Außerdem bedarf es eines richterlichen Beschlusses, der bei Gefahr im Verzug
durch eine Anordnung der Staatsanwaltschaft ersetzt werden kann.
Die in den §§ 100g und 100h StPO geregelten Schranken dürfen nicht dadurch umgangen werden, dass
in anderer Weise als durch ein an den Telekommunikationsdienstleister gerichtetes Auskunftsverlangen auf Verbindungsdaten des Betroffenen zurückgegriffen wird. Auch dann gelten die Anforderungen der
§§ 100g und 100h StPO. Sind also beim Beschuldigten Verbindungsdaten aufgezeichnet oder gespeichert,
etwa in Einzelverbindungsnachweisen der Telefonrechnungen oder in elektronischen Speichern der
Kommunikationsgeräte, so darf die Beschlagnahme und Auswertung dieser Datenträger nur unter den
Voraussetzungen der §§ 100g und 100h StPO erfolgen. Die Beschlagnahme ist daher auf Ermittlungsverfahren
beschränkt, die sich auf Straftaten von erheblicher Bedeutung richten. Sie bedarf eines richterlichen
Beschlusses, der bei Gefahr im Verzug durch eine Anordnung der Staatsanwaltschaft, nicht aber
der Polizei, ersetzt werden kann.

Beschluss vom 4. Februar 2005 – 2 BvR 308/04 –

Karlsruhe, den 1. März 2005