Die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Zeitschriftenverlages war erfolgreich. Dieser hatte sich gegen die
– im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts der Störung der Totenruhe – gerichtlich angeordnete
Durchsuchung seiner Redaktionsräume gewandt. Die 1. Kammer des Ersten Senats hob die
angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts (LG) auf, da sie die Beschwerdeführerin (Bf) in ihrem Grundrecht
der Pressefreiheit verletzen. Die Sache wurde an das LG zurückverwiesen.
Sachverhalt:
Ein Journalist der Bf organisierte im Zusammenhang mit der Ausstellung „Körperwelten„ ein nächtliches
Fotoshooting, bei dem sechs plastinierte Leichen an verschiedenen Orten der Innenstadt in München
nachts aufgestellt und fotografiert wurden. Die Bf veröffentlichte einen Artikel mit Darstellung der Fotos
in ihrer Zeitschrift. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Störung der Totenruhe
ein und beantragte neben Durchsuchungsbeschlüssen gegen Mitarbeiter der Bf auch die Durchsuchung
der Redaktionsräume der Bf. Die Durchsuchung von Unterlagen und Datenträgern sollte Aufschluss darüber
geben, wer die Entscheidung über die Anfertigung der Fotografien getroffen hatte bzw. in die Entscheidung
eingebunden war.
Das Amtsgericht (AG) lehnte den Antrag ab. Das LG hob diese Entscheidung auf und erließ den Durchsuchungsbeschluss.
Zur Begründung führte es u. a. aus, dass die Durchsuchungen verhältnismäßig seien,
da sie nicht zum Tatvorwurf außer Verhältnis stünden. In dem von der Bf beantragten Verfahren der
nachträglichen Anhörung bestätigte das LG den Durchsuchungsbeschluss. Die Vb gegen die Durchsuchungsanordnung
hinsichtlich der Redaktionsräume hatte Erfolg.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die Durchsuchung von Redaktionsräumen stellt wegen der damit verbundenen Störung der Redaktionstätigkeit
und der Möglichkeit einer einschüchternden Wirkung eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar. Im Rahmen der durch die allgemeinen Gesetze gezogenen Grenzen, zu denen auch die Vorschriften
der Strafprozessordnung gehören, ist eine Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse im konkreten
Fall und der Pressefreiheit vorzunehmen.
Dem werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht. Denn sie enthalten keine Ausführungen zur Angemessenheit
des Eingriffs in die Pressefreiheit. Insbesondere fehlt es an einer Abwägung, ob der die
Mitarbeiter der Bf treffende Tatvorwurf von einem solchen Gewicht ist, dass er die Durchsuchung auch
der Redaktionsräume rechtfertigt. Ferner wäre das Interesse am Auffinden von Beweismitteln gegen den
Schutz der Pressefreiheit abzuwägen gewesen. Auf das besondere Problem einer Durchsuchung von
Redaktionsräumen geht der Beschluss aber nicht ein.
Darüber hinaus enthält der angegriffene Beschluss keine Begrenzung auf die von den beschuldigten Journalisten
oder Fotografen benutzten Räume und erfasst damit sämtliche Redaktionsräume. Ausführungen
dazu, warum diese räumliche Ausdehnung unter Berücksichtigung des Grundrechts der Pressefreiheit
angemessen ist, fehlen.
Beschluss vom 1. Februar 2005 – 1 BvR 2019/03 –
Karlsruhe, den 22. Februar 2005