BVerfG: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Ablehnung einer gerichtlichen Sachentscheidung über Haftraumbedingungen

Die Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen, der vergeblich eine gerichtliche Entscheidung darüber
erstrebt hatte, ob es zulässig war, dass er während seiner Haftzeit zusammen mit einer weiteren
Person in einem Haftraum von weniger als 8 Quadratmetern mit nur durch einen Vorhang abgetrennten
Sanitätsbereich untergebracht war, hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht hatte seine Beschwerde gegen
die Haftraumbedingungen als unzulässig verworfen, da der Beschwerdeführer während der Dauer des
Rechtsstreits aus der Haft ins Ausland abgeschoben worden war und ein Interesse an nachträglicher
Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Unterbringung nicht bestehe. Es bestehe weder Wiederholungsgefahr
noch sei ein Rehabilitationsinteresse erkennbar. Die 2. Kammer des Zweiten Senats stellte fest,
dass der Beschluss des Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf wirksamen
Rechtsschutz verletzt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist es zwar prinzipiell vereinbar, die Rechtsschutzgewährung
von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen. Daher ist es grundsätzlich nicht
zu beanstanden, wenn die Fachgerichte bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des
Rechtsschutzinteresses annehmen. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann ein Bedürfnis
nach gerichtlicher Entscheidung aber fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der
Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. In Verfahren, die die Haftraumunterbringung
eines Gefangenen betreffen, entfällt das Rechtsschutzinteresse nicht mit der Beendigung der
beanstandeten Unterbringung, wenn eine Verletzung der Menschenwürde durch die Art und Weise der
Unterbringung in Frage steht. Dies war hier der Fall. Von weiteren Voraussetzungen war das Rechtsschutzinteresse
des Beschwerdeführers daher nicht abhängig.

Pressemitteilung Nr. 124/2005 vom 14. Dezember 2005

Beschluss vom 23. November 2005

2 BvR 1514/03