Der Beschwerdeführer beantragte Prozesskostenhilfe für eine
Amtshaftungsklage gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen
menschenunwürdiger Unterbringung in zwei Justizvollzugsanstalten, in
denen er sich zunächst in Untersuchungshaft und später in Strafhaft
befunden hatte. Er sei im Jahr 2007 insgesamt 151 Tage unter
menschenunwürdigen Haftbedingungen untergebracht worden: Die ihm jeweils
zugewiesenen Hafträume, die er sich mit einem Mitgefangenen habe teilen
müssen, hätten lediglich eine Grundfläche von 8 m2 aufgewiesen. Die
darin befindliche Toilette sei nur durch eine verstellbare Holzwand mit
einer kleinen Sichtschutzfläche vom übrigen Raum abgetrennt gewesen. Der
Tisch, an dem die Mahlzeiten eingenommen worden seien, sei nur einen
Meter von der Toilette entfernt gewesen. Abgesehen von etwa einem Monat,
in dem er aufgrund einer Arbeitstätigkeit den Haftraum täglich für 8
Stunden habe verlassen können, habe er sich im Übrigen 23 Stunden
täglich mit wechselnden Mitgefangenen darin befunden. Auf seine Proteste
und Verlegungsanträge sei ihm nur jeweils mitgeteilt worden, dass eine
Verlegung nicht möglich sei, da die Justizvollzugsanstalten überbelegt
seien und es eine Warteliste gebe. Einen Antrag auf gerichtliche
Entscheidung habe er nicht gestellt, weil das Land mangels räumlicher
Kapazitäten kontinuierlich gerichtliche Entscheidungen ignoriere.
Das Landgericht wies das Prozesskostenhilfegesuch des Beschwerdeführers
zurück. Ein Entschädigungsanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung
mit Art. 34 GG stehe ihm nicht zu. Die gemeinsame Unterbringung von
Strafgefangenen stelle ohne das Hinzutreten erschwerender, den
Strafgefangenen benachteiligender Umstände keine Verletzung der
Menschenwürde dar. Die Gewährung einer Geldentschädigung setze nicht nur
das Vorhandensein von besonders bedrückenden räumlichen Verhältnissen
voraus, sondern der zu unterstellende beengte Zustand des Haftraums
müsse den betroffenen Gefangenen seelisch oder körperlich nachhaltig und
dauerhaft belastet haben. Dazu trage der Beschwerdeführer nur
unsubstantiiert vor. Zudem habe dieser dadurch, dass er jedenfalls für
einen Monat einer Arbeit nachgegangen sei und im Übrigen eine Stunde
Freigang gehabt habe, Vergünstigungen erhalten, durch welche die
Haftbedingungen gemildert worden seien. Ein Entschädigungsanspruch sei
überdies gemäß § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, weil der
Beschwerdeführer es schuldhaft unterlassen habe, den ihm nach dem
Strafvollzugsgesetz bzw. den für die Untersuchungshaft geltenden
Vorschriften möglichen Rechtsbehelf einzulegen. Denn dadurch hätte er
den von ihm jetzt geltend gemachten Eingriff in sein
Persönlichkeitsrecht durch menschenunwürdige Haftbedingungen abwenden
können. Das Oberlandesgericht wies die sofortige Beschwerde gegen die
Entscheidung des Landgerichts zurück.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer u. a. eine
Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit. Die 1. Kammer
des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die angegriffenen
Entscheidungen aufgehoben, weil sie den Beschwerdeführer in seinem
Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art.
20 Abs. 3 GG verletzen. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das
Landgericht zurückverwiesen worden.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit gebietet
eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und
Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Diesem Gebot
widerspricht es, wenn ein Fachgericht bereits im
Prozesskostenhilfeverfahren bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der
beabsichtigten Rechtsverfolgung eine entscheidungserhebliche schwierige
Rechtsfrage zum Nachteil des Unbemittelten beantwortet oder von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht. So verhält es sich hier.
Das Landgericht weicht bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der
beabsichtigten Amtshaftungsklage in Bezug auf die Voraussetzungen einer
Menschenwürdeverletzung von der fachgerichtlichen und
verfassungsrechtlichen Rechtsprechung ab. Danach erfüllen die vom
Landgericht als gegeben unterstellten räumlichen Haftbedingungen die
Kriterien für eine Verletzung der Menschenwürde, da in den vom
Beschwerdeführer bewohnten Hafträumen die üblicherweise veranschlagten
Mindestflächen pro Gefangenen unterschritten wurden und die jeweils
integrierte Toilette nicht räumlich abgetrennt und belüftet war.
Zusätzlicher Umstände bedurfte es nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs jedenfalls zur Annahme einer Menschenwürdeverletzung
nicht. Ferner lagen auch keine Umstände vor, welche die räumlichen
Haftbedingungen abgemildert hätten. So ist es unerheblich, dass der
Beschwerdeführer zeitweilig einer Arbeit nachging, da er für diesen
Zeitraum keine Entschädigung beansprucht. Soweit das Landgericht ohne
entsprechenden Tatsachenvortrag unterstellt hat, der Beschwerdeführer
hätte täglich Sport- und Freizeitangeboten nachgehen können, ist nicht
ersichtlich, wie diese sich bei einer täglichen dreiundzwanzigstündigen
Einschlusszeit maßgeblich auf die Haftbedingungen hätten auswirken
können. Gleiches gilt für die tägliche Stunde Hofgang.
Es ist ebenfalls verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass das
Landgericht der beabsichtigten Amtshaftungsklage die Erfolgsaussicht
deshalb abgesprochen hat, weil der Beschwerdeführer keinen Rechtsbehelf
gegen die von ihm gerügten Haftbedingungen eingelegt hat. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Schadensersatzpflicht
gemäß § 839 Abs. 3 BGB nur dann vollumfänglich verneint werden, wenn die
Einlegung eines gebotenen Rechtsbehelfs den Schadenseintritt gänzlich
verhindert hätte. Für die Kausalität zwischen Nichteinlegung des
Rechtsbehelfs und dem Schadenseintritt trägt der Schädiger die
Darlegungs- und Beweispflicht. Hiervon ist das Landgericht abgewichen.
Denn für seine Annahme, dass einem Rechtsbehelf des Beschwerdeführers
stattgegeben und er sofort in eine Einzelzelle verlegt worden wäre, mit
der Folge, dass eine Menschenwürdeverletzung gänzlich verhindert worden
wäre, fehlt es an einem entsprechenden Vortrag des hier darlegungs- und
beweisbelasteten Landes. Es hat zur Frage der Kausalität überhaupt nicht
Stellung genommen, obwohl der Beschwerdeführer diese nicht nur
ausdrücklich bestritten, sondern auch tatsächliche Anhaltspunkte dafür
aufgezeigt hat, dass ein Rechtsbehelf mangels räumlicher Kapazitäten
keine Abhilfe gebracht hätte.
Ferner hat das Landgericht im Hinblick auf die Rechtsfolgenseite des
geltend gemachten Anspruchs, die Gewährung einer Geldentschädigung, eine
schwierige entscheidungserhebliche Rechtsfrage im
Prozesskostenhilfeverfahren entschieden. Das Landgericht stützt sich
insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der eine
Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen von
Zusatzerfordernissen wie etwa der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs
bzw. die konkrete Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen
Wohls, ferner von dem Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem
Grad seines Verschuldens abhängig macht. Dabei hat das Landgericht
vernachlässigt, dass sich die betreffende Entscheidung des
Bundesgerichtshofs mit einem wesentlich abweichenden Sachverhalt befasst
und die Zusatzerfordernisse erkennbar an die kurze Dauer jener
menschenunwürdigen Unterbringung von lediglich zwei Tagen anknüpft.
Demgegenüber ist hier selbst nach dem Vortrag des Landes ein Zeitraum zu
veranschlagen, welcher im Verhältnis zu der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs die dort zugrunde liegende Unterbringungsdauer um ein
Vielfaches übersteigt. Die bislang ungeklärte Rechtsfrage, ob bei
längerer Dauer menschenunwürdiger Unterbringung für die Zuerkennung
einer Geldentschädigung auf die vom Bundesgerichtshof in anderer
Konstellation geforderten Zusatzerfordernisse verzichtet werden kann,
durfte das Landgericht nicht in Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens
abschließend im Prozesskostenhilfeverfahren entscheiden.
Pressemitteilung Nr. 20/2011 vom 9. März 2011
Beschluss vom 22. Februar 2011
1 BvR 409/09