Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die Verlegung eines Strafgefangenen oder Sicherungsverwahrten in eine andere Anstalt ohne
seinen Willen kann für ihn mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen verbunden sein. Alle seine
innerhalb der Anstalt entwickelten sozialen Beziehungen werden praktisch abgebrochen. Der
unter den Bedingungen des Anstaltslebens schwierige Aufbau eines persönlichen Lebensumfeldes
muss von neuem begonnen werden. Die Verlegung kann darüber hinaus auch die Resozialisierung
des Strafgefangenen beeinträchtigen und berührt somit auch den grundrechtlichen Anspruch
auf einen Strafvollzug, der auf das Ziel der Resozialisierung ausgerichtet ist.
§ 85 des Strafvollzugsgesetzes, der auf Sicherungsverwahrte entsprechend anzuwenden ist, ermöglicht
eine Verlegung des Strafgefangenen nur für den Fall, dass in erhöhtem Maße Fluchtgefahr
gegeben ist oder sonst das Verhalten oder der Zustand des Gefangenen eine Gefahr für die
Sicherheit oder Ordnung der Anstalt begründet. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde
der Beschwerdeführer allein deshalb verlegt, weil andere Sicherungsverwahrte den Antragsteller
als Verursacher der Beschädigung ansähen und hierdurch eine erhebliche Unruhe sowie die Gefahr
einer Eskalation mit dem latenten Risiko von Übergriffen auf den Beschwerdeführer entstanden
seien. Es kann offen bleiben, ob der Umstand, dass ein Sicherungsverwahrter von Mitinsassen
der Anstalt eines bestimmten Verhaltens verdächtigt wird, als ein sicherheits- und ordnungsgefährdender
Zustand dieses Sicherungsverwahrten aufgefasst werden kann. Denn jedenfalls
ist es mit den Grundsätzen rechtsstaatlicher Zurechnung unvereinbar, wenn die Gefahr, dass
bestimmte Personen sich in rechtswidriger Weise verhalten, nicht im Regelfall vorrangig diesen
Personen zugerechnet und nach Möglichkeit durch ihnen gegenüber zu ergreifende Maßnahmen
abgewehrt wird, sondern ohne Weiteres Dritte oder gar die potentiellen Opfer des drohenden
rechtswidrigen Verhaltens zum Objekt eingreifender Maßnahmen der Gefahrenabwehr gemacht
werden. Rechtsstaatliche Zurechnung muss darauf ausgerichtet sein, nicht rechtswidriges, sondern
rechtmäßiges Verhalten zu begünstigen. Dem läuft es grundsätzlich zuwider, wenn, wie im
vorliegenden Fall, Maßnahmen zur Abwehr drohenden rechtswidrigen Verhaltens nicht vorrangig
gegen den oder die Störer, sondern ohne weiteres – und in Grundrechte eingreifend – gegen den
von solchem rechtswidrigem Verhalten potentiell Betroffenen ergriffen werden. Besondere Umstände,
die ein derartiges Vorgehen ausnahmsweise rechtfertigen könnten, sind weder geltend
gemacht noch ersichtlich.
Die Maßnahme ist zudem unverhältnismäßig. Zu der Frage, welche Versuche gemacht wurden,
der entstandenen Unruhe durch Maßnahmen entgegenzutreten, die die Rechte des Beschwerdeführers
nicht oder in geringerem Ausmaß berühren, wurden nähere Feststellungen nicht getroffen.
Nr. 68/2006 vom 28. Juli 2006
Beschluss vom 27. Juni 2006
2 BvR 1295/05