BVerfG: Erfolgreiche Vb eines Strafverteidigers gegen die Überwachung seines Mobiltelefonanschlusses

Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, wurde für einen des schweren
Raubes verdächtigen Mandanten als Verteidiger tätig. Im
Ermittlungsverfahren gegen den beschuldigten Mandanten, der sich nach
Italien abgesetzt hatte, ordnete das Amtsgericht die Überwachung des
Mobiltelefonanschlusses des Beschwerdeführers an, um auf diese Weise den
Aufenthaltsort des Beschuldigten zu ermitteln. In der Folgezeit leitete
die Staatsanwaltschaft auch ein Ermittlungsverfahren gegen den
Beschwerdeführer wegen des Verdachts der Geldwäsche ein. Dieses
Verfahren wurde jedoch nach Durchführung verschiedener strafprozessualer
Ermittlungsmaßnahmen (Verlängerung der Telefonüberwachung, Durchsuchung
der Kanzlei- und Wohnräume) eingestellt.

Der Beschwerdeführer legte unter anderem gegen die erstmalige Anordnung
der Telefonüberwachung Beschwerde ein. Das Landgericht verwarf die
Beschwerde als unbegründet. Zwar trage die Begründung des Amtsgerichts
die erstmalige Überwachungsanordnung nicht, da die Überwachung des
Telefons eines Strafverteidigers nur dann in Betracht komme, wenn er
selbst Beschuldigter einer Katalogtat sei. Dieser Begründungsfehler sei
jedoch geheilt worden, da bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Anordnung
der Telefonüberwachung auf Grund der damaligen Beweislage der Verdacht
der Geldwäsche gegen den Beschwerdeführer bestanden habe.

Die Verfassungsbeschwerde war erfolgreich, soweit sie sich gegen die
erstmalige Überwachungsanordnung richtet. Die 3. Kammer des Zweiten
Senats des Bundesverfassungsgerichts hob die gerichtlichen
Entscheidungen auf, da sie den Beschwerdeführer in seinem
Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) und in seiner Berufsfreiheit
(Art. 12 Abs. 1 GG) verletzen. Hinsichtlich der übrigen, ebenfalls
angegriffenen Ermittlungsmaßnahmen wurde die Verfassungsbeschwerde nicht
zur Entscheidung angenommen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die erstmalige Anordnung der Telefonüberwachung und der sie bestätigende
Beschluss des Landgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem
Fernmeldegeheimnis. Zwar ist es nicht von vorneherein und in jedem Fall
unstatthaft, den Fernsprechanschluss eines Rechtsanwalts, der sich als
Strafverteidiger betätigt, nach Maßgabe der Strafprozessordnung
überwachen zu lassen. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Maßnahme
auf die Überwachung der Kommunikation zwischen Strafverteidiger und
seinem beschuldigten Mandanten abzielt. Eine derartige Abhörmaßnahme
stünde in unlösbarem Widerspruch zur Rechtsgarantie des unüberwachten
mündlichen Verkehrs zwischen dem Strafverteidiger und dem Beschuldigten.
Diese Rechtsgarantie dient der Gewährleistung einer wirksamen
Strafverteidigung, indem sie die Vertrauensbeziehung zwischen dem
Verteidiger und dem Beschuldigten nach außen abschirmt und gegen
Eingriffe schützt. Da zwischen dem Beschwerdeführer und dem
Beschuldigten ein Verteidigerverhältnis bestanden hatte, war die
Überwachungsanordnung verfassungswidrig.

Eine Heilung der Überwachungsanordnung im Beschwerdeverfahren war hier
durch ein Auswechseln der rechtlichen Begründung nicht möglich. Für die
Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Maßnahme kommt es allein auf
die konkrete Anordnung auf der Grundlage der vom Ermittlungsrichter
vorgenommenen Prüfung des Tatverdachts an, nicht dagegen auf einen
anderen möglichen, vom Ermittlungsrichter aber nicht angenommenen und
nicht geprüften Tatverdacht. Im Zeitpunkt der Überwachungsanordnung war
gegen den Beschwerdeführer noch nicht einmal ein Ermittlungsverfahren
eingeleitet. Vielmehr richtete sich das damalige Ermittlungsverfahren
ausschließlich gegen den Mandanten des Beschwerdeführers, und die
Maßnahme diente allein der Ermittlung seines Aufenthaltsorts. Der
Ermittlungsrichter hatte im Zeitpunkt des Erlasses der
Überwachungsanordnung einen Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer
nicht geprüft. Ebenso wenig ergibt sich dementsprechend aus dem
Beschluss, dass Ziel der Maßnahme die Gewinnung von Beweisen im Hinblick
auf eine etwaige Geldwäschestraftat des Beschwerdeführers wäre. Die
Abhörmaßnahme erhielte durch den Austausch nicht nur der Anlasstat,
sondern auch des Beschuldigten und der Zielrichtung ein wesentlich
anderes Gepräge.

Darüber hinaus hat eine Berücksichtigung des verfassungsrechtlich
besonders geschützten Mandatsverhältnisses nicht stattgefunden, da das
Amtsgericht – trotz entgegenstehender Anhaltspunkte – nicht vom
Vorliegen eines Verteidigerverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer
und seinem Mandanten ausgegangen ist.