BGH: Zum Fall des in Neckargemünd getöteten Rolllstuhlfahrers

Eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Heidelberg hatte den Angeklagten, der den Tatvorwurf bestreitet, wegen Totschlags und Unterschlagung zu einer
Ge-samtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und einem Monat verurteilt. Nach den Feststel-lungen waren der Angeklagte und sein ebenfalls aus Vietnam stammendes späteres Opfer,
das infolge Kinderlähmung an den Rollstuhl gefesselt war, seit Jahren be-freundet. Der Angeklagte gab lediglich vor, in Düsseldorf eine Wohnung sowie eine Lehrstelle zu
haben; tatsächlich war er erwerbslos und verbrachte die meiste Zeit in Spielhallen. Deshalb war er nicht in der Lage, die von seinem Freund geliehenen und nun
zurückgeforderten 8.000 DM zurückzuzahlen. Der Angeklagte, der sich immer tiefer in Lügen verstrickt hatte und deren Offenbarung gegenüber seiner Familie fürchtete,
suchte daraufhin am 8. September 2000 seinen Freund in dessen Wohnung in Neckargemünd auf. Dort brachte er dem zunächst im Rollstuhl sitzenden und dann auf dem Boden
liegenden Opfer eine Vielzahl von Messerstichen bei, so daß dieses binnen weniger Minuten verblutete. Nach den Feststellungen des Landgerichts war Auslöser für die
Tat die Angst des Angeklagten vor dem mit der Aufdeckung seines Doppellebens verbundenen “Gesichtsverlust”. Der Angeklagte nahm ein Mobiltelefon und Geld seines Opfers an
sich und floh sodann vom Tatort.

Das Landgericht hat ein Handeln aus “niedrigen Beweggründen” oder Habgier und damit eine Bestrafung wegen Mordes abgelehnt. Dagegen wendete sich die Revision der
Staatsanwaltschaft, die eine Bestrafung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes begehrte. Der Angeklagte dagegen erstrebte mit seiner Revision einen Frei-spruch.

Die Revision des Angeklagten führte lediglich zur Aufhebung der Verurteilung wegen Unterschlagung. Dagegen hatte die Revision der Staatsanwaltschaft im vollen Um-fange
Erfolg. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil auf diese Revi-sion insgesamt aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Schwurge-richtskammer
des Landgerichts Heidelberg zurückverwiesen, weil die Indizienbe-weisführung, mit der das Landgericht die Mordmerkmale “niedriger Beweggrund” und “Habgier” verneint hatte,
rechtsfehlerhaft war. Zentral für die diesbezügliche Beweis-würdigung war die Frage, ob der Angeklagte bereits mit der Tatwaffe die Wohnung seines Freundes betreten
hatte. Dieses mögliche Belastungsindiz hatte das Landge-richt mit unzureichender Begründung abgelehnt.

Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 513/01 Karlsruhe, den 6. Februar 2002