BGH: Verwertungsverbot für Selbstgespräch im Krankenzimmer

Das Landgericht München II hatte den Angeklagten mit Urteil vom 13. Dezember
2004 wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Der 1.
Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat das landgerichtliche Urteil auf die
Revision des Angeklag-ten aufgehoben und die Sache an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zu-rückverwiesen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts erschlug der Angeklagte im Jahr
1998 einen Landwirt. Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Das Landgericht
hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auch auf das
Ergebnis einer im Dezember 2003 durchgeführten akustischen Raumüberwachung
gestützt. Zielobjekt der Abhörmaßnahme war das Einzelzimmer des Angeklagten
in einer Rehabilita-tionsklinik, in der er sich zur Behandlung der Folgen
eines Arbeitsunfalls aufhielt. Aufgezeichnet wurde dabei ein Selbstgespräch
des Angeklagten, das er nach einem Telefonat mit einer Arbeitskollegin
geführt hatte, die ihm von einer Befragung zu sei-ner Person durch die
Polizei berichtet hatte. Der Angeklagte hatte in dem Selbstge-spräch u.a.
geäußert: „Sehr aggressiv! Sehr aggressiv! In Kopf hätt i eam schießen
sollen.„ Das Landgericht hat hieraus den Schluss gezogen, dass der
Angeklagte sich Gedanken über eine alternative Tötungsart gemacht habe, die
den Verdacht weniger auf seine Person gelenkt hätte.

Der Bundesgerichtshof hat die Verwertung des Ergebnisses der akustischen
Raum-überwachung beanstandet. Nach dem Gesetz zur Änderung der
Strafprozessord-nung, das in Umsetzung der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes vom 3. März 2004 zur akustischen
Wohnraumüberwachung (BVerfGE 109, 279 ff.) ergan-gen ist (§§ 100 c, 100 d
StPO), dürfen Erkenntnisse aus einem Eingriff in den abso-lut geschützten
Kernbereich privater Lebensgestaltung auch zur Aufklärung von Straftaten aus
dem Bereich der Schwerkriminalität nicht verwertet werden. Das
Selbstgespräch des Angeklagten in dem Krankenzimmer ist diesem – durch Art.
13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG
geschützten – Kern-bereich zuzurechnen. Maßgebend dafür war eine Kumulation
mehrerer Umstände. Es handelte sich um ein aufgrund einer staatlichen
Überwachungsmaßnahme auf-gezeichnetes Selbstgespräch. Dieses Selbstgespräch
hatte der Angeklagte in einem hier von Art. 13 GG geschützten Wohnraum
geführt. Der Inhalt des Selbstgesprä-ches war in Bezug auf den Tatvorwurf
interpretationsbedürftig. Als Folge dieser Zu-ordnung zum Kernbereich
durfte das Selbstgespräch nicht zu Lasten des Angeklag-ten zu Beweiszwecken
verwertet werden.

Das Urteil war aufzuheben, weil die Überzeugung des Landgerichtes auch auf
dem Selbstgespräch beruht.

Urteil vom 10. August 2005 – 1 StR 140/05
LG München II – 1 Ks 32 Js 32 922/98
Karlsruhe, den 10. August 2005