BGH: Verurteilung wegen Tötung zweier Kinder teilweise aufgehoben

Das Landgericht Mühlhausen hat den geständigen Angeklagten wegen Totschlags
in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und 6 Monaten
verurteilt. Nach den Feststellungen der Strafkammer führten der Angeklagte
und seine Ehefrau eine schwierige, konfliktträchtige Beziehung. Als sich die
Ehefrau, an der der Angeklagte sehr hing, zum wiederholten Male einem
anderen Mann zuwandte, war der Angeklagte verzweifelt und wollte zunächst
(nur) sich selbst töten, fasste dann aber den Entschluss, die drei
gemeinsamen Kinder “mit in den Tod zu nehmen”. Er sorgte sich, was mit den
Kindern geschehen würde, wenn er tot sei. Außerdem wollte er seine Ehefrau
durch den Tod der Kinder auch “anklagen”. Nach Genuss von Alkohol und
Medikamenten tötete er am Abend des 2. Mai 2004 zunächst den ein Jahr und
neun Monate alten schlafenden Sohn H. durch einen Messerstich in die Brust
und etwas später auch die fünf Jahre und vier Monate Tochter L.-M. auf die
gleiche Weise. Diese erwachte durch den Stich und sagte noch: “Papa, ich
hab Dich doch lieb”, bevor sie schließlich verblutete. Die Tötung des
dritten Kindes brachte der Angeklagte nicht mehr über sich. Er versuchte
erneut, sich durch eine Überdosis an Antidepressiva zu töten, was aber
nicht gelang. Bei Begehung der Taten war der Angeklagte erheblich
vermindert schuldfähig.

Das Landgericht hat die Taten nicht als Morde gewertet, da es an einer
heimtückischen Tötung fehle. Die Kinder seien aufgrund ihres Alters nicht
fähig gewesen, überhaupt Argwohn zu schöpfen. Das Mordmerkmal der
“niedrigen Beweggründe” sah es nicht als erfüllt an, weil die Absicht des
Angeklagten, seine Ehefrau zu bestrafen oder sich an ihr zu rächen, nur
eines von mehreren Motiven innerhalb eines ganzen Bündels gewesen sei.
Innerhalb dieses Bündels sei dieser Beweggrund des Angeklagten nicht
stärker gewesen als die übrigen, nicht als niedrig zu bewertenden Motive.
Gegen die Entscheidung haben die Nebenkläger, die Ehefrau des Angeklagten
und sein überlebendes Kind, Revision eingelegt.

Der Wertung des Landgerichts ist der Bundesgerichtshof, soweit es die Tötung
der Tochter des Angeklagten betrifft, nicht gefolgt, sondern hat das Urteil
insofern aufgehoben. Ein normal entwickeltes Kind im Alter von fünf Jahren
sei verstandesgemäß in der Lage, selbst einen von einem Elternteil
ausgehenden Angriff auf sich zu erkennen und hierauf abwehrend reagieren zu
können. Die Ausnutzung des Schlafs des Mädchens zu deren Tötung könne daher
heimtückisch gewesen sein, wenn das Kind normal entwickelt war. Da das
Landgericht hierzu und zu möglichen Abwehrreaktionen keine Feststellungen
getroffen hatte, hat der Bundesgerichtshof die Sache insoweit zu einer
erneuten Prüfung an das Landgericht zurückverwiesen.

In Bezug auf die Tötung des ein Jahr und neun Monate alten Sohnes des
Angeklagten hat das Urteil dagegen Bestand. Auch wenn sich eine
schematische Betrachtung verbiete, könne doch nicht davon ausgegangen
werden, dass das Kleinkind, selbst wenn es nicht geschlafen hätte, in der
konkreten Situation zum Argwohn fähig gewesen wäre, d.h. hätte erkennen
können, dass sein Vater im Begriff stand, es mit einem Messer zu töten.

Die Annahme des Landgerichts, dass bei dem Angeklagten niedrige Beweggründe
zur Tötung nicht vorgelegen hätten, sei schließlich aufgrund der getroffenen
Feststellungen vertretbar und weise keinen Rechtsfehler auf.

Urteil vom 10. März 2006 – 2 StR 561/05

LG Mühlhausen, Urteil vom 13. Juli 2005 – 120 Js 49058/04-1 Ks

Karlsruhe, den 10. März 2006