Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen die Entscheidung haben
der Angeklagte und – zu seinen Gunsten – auch die Staatsanwaltschaft
Revision eingelegt.
Nach den Feststellungen des Urteils tötete der heute 38 Jahre alte
Angeklagte am Abend des 05. Juli 2002 seinen 2½ Monate alten Sohn Julian.
Nachdem die Ehefrau des Angeklagten und Mutter des Kindes zu Bett gegangen
war, deckte er im Wohnzimmer der gemeinsamen Ehewohnung den Kopfausschnitt
einer Baby-Tragetasche, in der Julian lag, mit Wolldecken möglichst
luftdicht ab. Wie der Angeklagte beabsichtigte, erstickte Julian daraufhin.
Der Säugling litt seit seiner Geburt an dem sog. Apert-Syndrom. Julian hatte
schwere Missbildungen am Kopf sowie an den Händen und Füßen. Seine Atmung
musste operativ stabilisiert werden. Auch lagen Hinweise auf
Hirnfehlbildungen vor. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte Julian nur das
Kleinkindalter erreicht. Der Angeklagte handelte vor allem aus dem Motiv,
seine seit der Geburt von Julian stark gefährdete Ehe zu erhalten; daneben
wollte er dem Kind weitere Qualen ersparen. Nachdem das Ermittlungsverfahren
mangels Anhaltspunkten für einen unnatürlichen Tod zunächst eingestellt
worden war, offenbarte sich der Angeklagte im November 2003 freiwillig den
Ermittlungsbehörden.
Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth befand den
Angeklagten des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) für schuldig, nahm jedoch
wegen besonderer für ihn sprechender Umstände einen minder schweren Fall (§
213 Alt. 2 StGB) an. Mit ihrer Revision beanstanden der Angeklagte und die
Staatsanwaltschaft, dass das Landgericht es angesichts die Atmung
beeinträchtigender Vorschäden von Julian nicht sicher ausgeschlossen habe,
dass dieser an einem spontanen Atemversagen verstorben sei, sodass der
Angeklagte nur wegen versuchten Totschlags hätte verurteilt werden dürfen.
Außerdem habe das Tatgericht mit der Höhe der Freiheitsstrafe die Grenzen
gerechten Schuldausgleichs überschritten.
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Landgerichts im Strafausspruch
aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an
eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückverwiesen. Er
führt aus, dass der Schuldspruch wegen vollendeten Totschlages von den
fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts getragen werde.
Außerdem habe die Strafkammer zu Recht darauf hingewiesen, dass die
eingeschränkte Lebenserwartung des Kindes oder dessen erhebliche
Behinderungen von Vorneherein als dem Angeklagten begünstigende Umstände
außer Betracht zu bleiben haben. Die Strafzumessungserwägungen des
Landgerichts seien gleichwohl lückenhaft, da das Landgericht nicht alle zur
Motivlage des Angeklagten festgestellten Umstände in jeder Hinsicht
erschöpfend gewürdigt habe. Daher sei über die Strafhöhe neu zu
entscheiden.
Urteil vom 21. Februar 2006 – 1 StR 456/05
Landgericht Nürnberg-Fürth – Entscheidung vom 28. April 2005 – 5 Ks 103 Js
2089/2003
Karlsruhe, den 21. Februar 2006