BGH: Ruhen der deutschen Approbation hindert nicht vorübergehende ärztliche Tätigkeit in Deutschland aufgrund ausländischer Zulassung

Das Landgericht Wuppertal hatte gegen den Angeklagten, einen deutschen Arzt
und Zahnarzt, wegen zahlreicher Körperverletzungen sowie wegen mehrerer
Verstöße gegen die Bundesärzteordnung und das Zahnheilkundegesetz eine
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt. Gegenstand der Verurteilung
war unter anderem, dass der Angeklagte unter Berufung auf seine in Belgien
erlangte Zulassung wiederholt im Bundesgebiet praktizierte, nachdem das
Ruhen seiner deutschen Approbation als Arzt und Zahnarzt “wegen
Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit im Rahmen der Berufsausübung” angeordnet
worden war.

Auf die Revision des Angeklagten hat der 3. Strafsenat entschieden, dass das
Ruhen der deutschen Approbation keinen unmittelbaren Einfluss auf die nach
europarechtlichen Regelungen – der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 50 des
Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) – bestehende
Berechtigung des Arztes zur vorübergehenden Dienstleistung in Deutschland
hat. Sowohl die Bundesärzteordnung (BÄO) als auch das Zahnheilkundegesetz
(ZHG) kennen verschiedene, selbständig nebeneinander stehende
Legitimationstatbestände für die Ausübung der Heilkunde bzw. Zahnheilkunde
in Deutschland. Die Approbation als Grundlage für eine zeitlich und fachlich
uneingeschränkte Tätigkeit ist nur eine von ihnen. Das Berufsverbot bei zum
Ruhen gebrachter Approbation gilt deshalb nur, soweit die Ap-probation für
die konkrete Tätigkeit auch erforderlich ist.

Die vorübergehende Tätigkeit eines in einem anderen EU-Mitgliedstaat
zugelassenen Arztes bzw. Zahnarztes in Deutschland wird demgegenüber erst
dann unzulässig, wenn ihm der Staat, der ihm die Zulassung erteilt hat,
diese entzieht. Verstößt der Arzt bei seiner Tätigkeit in Deutschland gegen
seine Pflichten, sehen die BÄO und das ZHG dementsprechend Meldepflichten
der deutschen an die zuständigen ausländischen Behörden vor, damit diese die
notwendigen Maßnahmen einleiten können. Damit unterscheidet sich die
Rechtslage etwa von den Regelungen über die Anerkennung im EU-Ausland
erteilter Fahrerlaubnisse, denn hier sehen die einschlägigen deutschen
Vorschriften ausdrücklich vor, dass derjenige, dem in Deutsch-land
beispielsweise die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden ist, im Inland
Kraftfahrzeuge auch nicht aufgrund einer Fahrerlaubnis führen darf, die ihm
ein anderer EU-Mitgliedstaat erteilt hat. Eine entsprechende Regelung gibt
es im Berufsrecht der Ärzte nicht.

Der 3. Strafsenat hat deshalb die Verurteilung in den Fällen aufgehoben, in
denen sie allein nach § 13 BÄO bzw. § 18 Nr. 2 ZHG ergangen ist. Hierfür
hatte das Landgericht jeweils Geldstrafen festgesetzt. Der Senat hat aber
angesichts der Schwere der verbleibenden Körperverletzungstaten des
Angeklagten – unter ihnen mehrere schwer kunstfehlerhafte Eingriffe mit
schwerwiegenden Folgen für die Patienten – die verbleibenden Einzelstrafen
und die Gesamtstrafe für angemessen erachtet und die Revision deshalb im
übrigen verworfen.

Damit ist die Verurteilung des Arztes zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe
rechtskräftig.

Urteil vom 13. Oktober 2005 – 3 StR 385/04

Landgericht Wuppertal – Entscheidung vom 23.12.2003 – 22 KLs 20/02 II 430 Js
132/01

Karlsruhe, den 13. Oktober 2005

Wortlaut der Vorschriften

Bundesärzteordnung

§ 2 Bundesärzteordnung

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes den ärztlichen Beruf ausüben
will, bedarf der Approbation als Arzt.

(2) Eine vorübergehende oder eine auf bestimmte Tätigkeiten beschränkte
Ausübung des ärztlichen Berufs im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist auch
aufgrund einer Erlaubnis zulässig.

(3) Ärzte, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union
oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates sind, dem Deutschland und die
Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union
vertraglich einen ent-sprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, dürfen
den ärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes ohne Approbation als
Arzt oder ohne Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs
ausüben, sofern sie vorübergehend als Erbringer von Dienstleistungen im
Sinne des Artikels 50 des EG-Vertrages im Geltungsbereich dieses Gesetzes
tätig werden. Sie unterliegen jedoch der Anzeigepflicht nach diesem Gesetz.
(4) Für die Ausübung des ärztlichen Berufs in Grenzgebieten durch im Inland
nicht niedergelassene Ärzte gelten die hierfür abgeschlossenen
zwischenstaatlichen Verträge.

(5) Ausübung des ärztlichen Berufs ist die Ausübung der Heilkunde unter der
Berufsbezeichnung “Arzt” oder “Ärztin”.

§ 6 Bundesärzteordnung

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn ….
(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr
vorliegen.

(3) Der Arzt, dessen Approbation ruht, darf den ärztlichen Beruf nicht
ausüben.

(4) Die zuständige Behörde kann zulassen, dass die Praxis eines Arztes,
dessen Approbation ruht, für einen von ihr zu bestimmenden Zeitraum durch
einen anderen Arzt weitergeführt werden kann.

§ 10b Bundesärzteordnung

(1) Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines
anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum,
oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft
oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden
Rechtsanspruch eingeräumt haben, die zur Ausübung des ärztlichen Berufs in
einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem
anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
oder einem Vertragsstaat, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft
oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden
Rechtsanspruch eingeräumt haben, auf Grund einer nach deutschen
Rechtsvorschriften abgeschlossenen ärztlichen Ausbildung oder auf Grund
eines in der Anlage zu § 3 Abs. 1 Satz 2, in § 3 Abs. 1 Satz 6 oder in § 14b
genannten ärztlichen Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen
Befähigungsnachweises berechtigt sind, dürfen als Dienstleistungserbringer
im Sinne des Artikels 50 des EG-Vertrages vorübergehend den ärztlichen
Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes ausüben.

(2) Ein Dienstleistungserbringer im Sinne des Absatzes 1 hat das Erbringen
der Dienstleistung der zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Sofern eine
vorherige Anzeige wegen der Dringlichkeit des Tätigwerdens nicht möglich
ist, hat die Anzeige unverzüglich nach Erbringen der Dienstleistung zu
erfolgen. Bei der Anzeige sind Bescheinigungen des Herkunftsstaates darüber
vorzulegen, dass der Dienstleistungserbringer

1. den ärztlichen Beruf im Herkunftsstaat rechtmäßig ausübt und
2. ein ärztliches Diplom, Prüfungszeugnis oder einen sonstigen ärztlichen Befähigungsnachweis im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 besitzt.

Die Bescheinigungen dürfen bei ihrer Vorlage nicht älter als zwölf Monate
sein.

(3) Der Dienstleistungserbringer hat beim Erbringen der Dienstleistung im
Geltungsbereich dieses Gesetzes die Rechte und Pflichten eines Arztes.
Verstößt ein Dienstleistungserbringer gegen diese Pflichten, so hat die
zuständige Behörde unverzüglich die zuständige Behörde des Herkunftsstaates
dieses Dienstleistungserbringers hierüber zu unterrichten.
(4) Einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union
oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum, oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die
Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union
vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, der im
Geltungsbereich dieses Gesetzes den ärztlichen Beruf auf Grund einer
Approbation als Arzt oder einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des
ärztlichen Berufs ausübt, sind auf Antrag für Zwecke der

Dienstleistungserbringung in einem der übrigen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den
Europäischen Wirtschaftsraum Bescheinigungen darüber auszustellen, dass er
1. den ärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes rechtmäßig ausübt und

2. den erforderlichen Ausbildungsnachweis besitzt.

§ 13 Bundesärzteordnung

Wer die Heilkunde ausübt, solange durch vollziehbare Verfügung das Ruhen der
Approbation angeordnet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder
mit Geldstrafe bestraft.

Zahnheillkundegesetz

§ 1 ZHG

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Zahnheilkunde dauernd ausüben
will, bedarf einer Approbation als Zahnarzt nach Maßgabe dieses Gesetzes.
Die Approbation berechtigt zur Führung der Bezeichnung als “Zahnarzt” oder
“Zahnärztin”. Die vorübergehende Ausübung der Zahnheilkunde bedarf einer
jederzeit widerruflichen Erlaubnis.

(2) Zahnärzte, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen
Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates sind, dem Deutschland und die
Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union
vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, dürfen den
zahnärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes ohne Approbation als
Zahnarzt oder ohne Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung der Zahnheilkunde
ausüben, sofern sie vorübergehend als Erbringer von Dienstleistungen im
Sinne des Artikels 50 des EG-Vertrages im Geltungsbereich dieses Gesetzes
tätig werden. Sie unterliegen jedoch der Anzeigepflicht nach diesem Gesetz.
(3) …

§ 5 ZHG

(1) Das Ruhen der Approbation kann angeordnet werden, wenn …
(2) Die Anordnung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr
vorliegen.

(3) Der Zahnarzt, dessen Approbation ruht, darf den zahnärztlichen Beruf
nicht ausüben.

§ 13a ZHG

(1) Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines
anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft
oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden
Rechtsanspruch eingeräumt haben, die zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs
in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem
anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
oder einem Vertragsstaat, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft
oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden
Rechtsanspruch eingeräumt haben, auf Grund einer nach deutschen
Rechtsvorschriften abgeschlossenen zahnärztlichen Ausbildung oder auf Grund
eines in der Anlage zu § 2 Abs. 1 Satz 2, in § 2 Abs. 1 Satz 6 oder in § 20a
genannten zahnärztlichen Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen
Befähigungsnachweises berechtigt sind, dürfen als Dienstleistungserbringer
im Sinne des Artikels 50 des EG-Vertrages vorübergehend den zahnärztlichen
Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes ausüben.

(2) Ein Dienstleistungserbringer im Sinne des Absatzes 1 hat das Erbringen
der Dienstleistung der zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Sofern eine
vorherige Anzeige wegen der Dringlichkeit des Tätigwerdens nicht möglich
ist, hat die Anzeige unverzüglich nach Erbringen der Dienstleistung zu
erfolgen. Bei der Anzeige sind Bescheinigungen des Herkunftsstaates darüber
vorzulegen, dass der Dienstleistungserbringer

1. den zahnärztlichen Beruf im Herkunftsstaat rechtmäßig ausübt und
2. ein zahnärztliches Diplom, Prüfungszeugnis oder einen sonstigen
zahnärztlichen Befähigungsnachweis im Sinne des Absatzes 1 Satz 1

besitzt.

Die Bescheinigungen dürfen bei ihrer Vorlage nicht älter als zwölf Monate
sein.

(3) Der Dienstleistungserbringer hat beim Erbringen der Dienstleistung im
Geltungsbereich dieses Gesetzes die Rechte und Pflichten eines Zahnarztes.
Verstößt ein Dienstleistungserbringer gegen diese Pflichten, so hat die
zuständige Behörde un-verzüglich die zuständige Behörde des Herkunftsstaates
dieses Dienstleistungserbringers hierüber zu unterrichten.
(4) Einem Staatsangehörigen eines der Mitgliedstaates der Europäischen Union
oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die
Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union
vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, der im
Geltungsbereich dieses Gesetzes den zahnärztlichen Beruf auf Grund einer
Approbation als Zahnarzt oder einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung
der Zahnheilkunde ausübt, sind auf Antrag für Zwecke der

Dienstleistungserbringung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen
Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum oder einem Vertragsstaat, dem Deutschland und die
Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union
vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben,
Bescheinigungen darüber auszustellen, dass er

1. den zahnärztlichen Beruf im Geltungsbereich dieses Gesetzes rechtmäßig
ausübt und

2. den erforderlichen Ausbildungsnachweis besitzt.

§ 18 ZHG

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft,
1. wer die Zahnheilkunde ausübt, ohne eine Approbation oder Erlaubnis als
Zahnarzt zu besitzen oder nach § 1 Abs. 2, § 14 oder § 19 zur Ausübung

der

Zahnheilkunde berechtigt zu sein,

2. wer die Zahnheilkunde ausübt, solange durch vollziehbare Verfügung das
Ruhen der Approbation angeordnet ist.