BGH: Revision verworfen: OLG Hamburg: Verurteilung eines Funktionärs der türkischen terroristischen Organisation DHKP-C wegen Mordes und versuchter Geiselnahme bestätigt

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat den Angeklagten Y. durchUrteil vom 30. November 1999 wegen Mordes und versuchter Geiselnahme zueiner lebenslangen
Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen unterstützte der Angeklagte, ein türkischerStaatsangehöriger, seit Beginn der 90er Jahre die in der Türkei
verbotenelinksextremistische Organisation “Devrimci Sol” (Revolutionäre Linke).Nachdem diese sich im Jahre 1993 in zwei fortan miteinander konkurrierendeVereinigungen
aufgespalten hatte, wandte er sich dem “Karatas-Flügel”(DHKP-C) zu. Diese Organisation nimmt für sich in Anspruch, einzigelegitime Nachfolgerin der “Devrimci Sol” zu sein
und führte vor allem imJahre 1997 auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gewalttätigeAuseinandersetzungen mit Anhängern des verfeindeten Yagan-Flügels. Siewurde
im August 1998 durch Verfügung des Bundesministers des Innernverboten. Der Angeklagte übernahm alsbald nach seiner Ankunft im Sommer 1996 inDeutschland Führungsaufgaben
innerhalb der DHKP-C. Diese finanzierte sichvorwiegend durch Spendenaktionen und den Verkauf der Zeitschrift”Kurtulus”, die der Verbreitung der politischen Ideen der DHKP-C
diente. Aneinem Nachmittag des 25. April 1997 scheiterte eine Gruppe von Anhängernder DHKP-C, der unter anderem der Angeklagte angehörte, bei dem Versuch, ineinem von
einem türkischen Staatsangehörigen betriebenen Imbißlokal inHamburg die genannte Zeitschrift zu verkaufen. Nachdem der Angeklagte mitzwei Begleitern die
Örtlichkeiten des Imbißlokals am frühen Abend nähererkundet und der Deutschland-Verantwortliche der DHKP-C sein Einverständniserteilt hatte, verübten am
späten Abend des selben Tages Anhänger derDHKP-C zur Vergeltung und als Machtdemonstration einen Überfall auf dasImbißlokal. Im Zusammenhang mit diesem
Überfall erschoß der Angeklagte, derauf der Straße das Geschehen absicherte, den in seinem Fahrzeug sitzendenBetreiber des Lokals. Im September 1997
versuchte der Angeklagte zusammenmit weiteren DHKP-C-Aktivisten in Hamburg einen Yagan-Sympathisanten vordessen Wohnung als Geisel zu nehmen. Dies schlug fehl, weil es dem
Tatopferrechtzeitig gelang, sich dem Zugriff zu entziehen. Der Angeklagte, der eingeräumt hat, aktives Mitglied der DHKP-C zu sein,die Straftaten aber bestreitet, rügt mit
seiner Revision die Verletzungformellen und materiellen Rechts. Er macht u.a. geltend, er sei bereitsdurch das Landgericht Hamburg wegen Vorbereitung des Überfalls am
25. April1997 auf das Lokal bestraft worden und dürfe deswegen nicht mehr erneutwegen dieses Geschehens verurteilt werden. Er beanstandet ferner, daß
dieFeststellungen zu dem Tötungsgeschehen auf der unzulässigen Verwertung vonErkenntnissen aus Telefonüberwachungsmaßnahmen des Bundesamtes fürVerfassungsschutz
nach dem Gesetz zu Artikel 10 des Grundgesetzes (G 10)beruhen. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision verworfen. Er istzu dem Ergebnis gekommen, daß
kein Verfahrenshindernis besteht, da dieVerurteilung des Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz zueiner Geldstrafe von 90 Tagessätzen durch das
Landgericht Hamburg am 11.November 1997 die Strafklage wegen Mordes nicht verbraucht hat. Das frühereVerfahren vor dem Landgericht Hamburg hatte – bei der vom Senat
fürerforderlich gehaltenen einschränkenden Bewertung – hinsichtlich der Persondes Angeklagten einen anderen Lebenssachverhalt zum Gegenstand, nämlich dieVorfälle am
Nachmittag und das Ausspähen des Lokals am frühen Abend, alsdas jetzige Verfahren vor dem Oberlandesgericht. Bei diesem auf der Anklagedes Generalbundesanwalts vom 15.
Oktober 1998 beruhenden Verfahren sinderstmals die Ereignisse um das Tötungsgeschehen am späten Abend des 25.April 1997 Gegenstand einer gerichtlichen Untersuchung gegen
denAngeklagten gewesen. Der 3. Strafsenat hat auch die von der Revision gegendie Verwertung von Erkenntnissen aus drei Telefongesprächsmitschnittenerhobenen Bedenken nicht
geteilt. Die nach Auffassung des Senats engenrechtlichen Voraussetzungen, unter denen das Bundesamt fürVerfassungsschutz aus Abhörmaßnahmen nach dem G 10-Gesetz
gewonneneErkenntnisse an den Generalbundesanwalt als Strafverfolgungsbehördeweitergeben darf, sind erfüllt. Auch mit ihren übrigen verfahrens- undsachlichrechtlichen
Beanstandungen hat die Revision keinen Erfolg. Urteil vom 30. März 2001 – 3 StR 342/00 Karlsruhe, den 30. März 2001