BGH: Kinderpornographie im Internet

Das Landgericht Würzburg hatte den Angeklagten unter anderem wegen mehrfachen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Er hatte an einem 13-jährigen Mädchen mehrfach sexuelle Handlungen vorgenommen und davon zahlreiche Fotos mit der Absicht gefertigt, diese Fotos im Internet zu vermarkten. Gegen das Urteil hatten die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte Revision eingelegt.

Die Staatsanwaltschaft erstrebte mit dem Ziel einer höheren Bestrafung eine Verurteilung auch wegen schweren sexuellen Mißbrauchs nach § 176a Abs. 2 StGB. Nach dieser Vorschrift wird mit Freiheitsstrafe von zwei bis 15 Jahren bestraft, wer in der Absicht handelt, den sexuellen Mißbrauch zum Gegenstand einer pornographischen Schrift (das können auch digitale Bilder sein) zu machen, die nach § 184 Abs. 3 oder 4 StGB verbreitet werden soll. § 184 StGB (Verbreitung pornographischer Schriften), auf dessen Absatz 3 § 176a Abs. 2 StGB verweist, stellt neben dem Verbreiten unter anderem auch das öffentliche Zugänglichmachen von Schriften, “die den sexuellen Mißbrauch von Kindern zum Gegenstand haben”, unter Strafe. Das Landgericht hatte die Rechtsauffassung vertreten, die Veröffentlichung und Weitergabe solcher Fotos im Internet sei kein “Verbreiten”, da dieses Merkmal nach herkömmlicher Auslegung eine körperliche Weitergabe erfordere. Die in § 184 StGB genannte Variante des Zugänglichmachens sei von § 176a Abs. 2 StGB nicht in Bezug genommen, da dort nur das “Verbreiten” aufgeführt sei.

Der Angeklagte machte geltend, daß das Mädchen im Internet älter – also nicht als Kind – vorgestellt werden sollte. Damit hätten die Fotos für den Betrachter nicht den sexuellen Mißbrauch eines Kindes zum Gegenstand. Da es aber bei der Verbreitung pornographischer Schriften nach § 184 StGB auf die Sichtweise des Betrachters ankomme, seien weder § 184 Abs. 3 und 4 StGB noch § 176a Abs. 2 StGB, der eine Tat nach § 184 Abs. 3 StGB voraussetze, erfüllt.

Der Bundesgerichtshof ist der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft gefolgt. Zunächst gelte, daß § 176a Abs. 2 StGB alle Varianten des § 184 Abs. 3 und 4 StGB, also auch das Zugänglichmachen, erfasse. Sodann hat der Bundesgerichtshof geklärt, was unter “Verbreiten” und “Zugänglichmachen” bei Internetseiten zu verstehen ist. Ein Zugänglichmachen liegt schon dann vor, wenn eine Datei zum Lesezugriff ins Internet gestellt wird. Die bloße Zugriffsmöglichkeit reicht aus; nicht erforderlich ist, daß auch ein Zugriff des Internetnutzers erfolgt. Ein Verbreiten liegt vor, wenn die Datei auf dem Rechner des Internetnutzers – sei es im Arbeitsspeicher oder auf einem permanenten Speichermedium – angekommen ist. Dabei ist es unerheblich, ob der Nutzer die Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten genutzt oder ob der Täter die Daten übermittelt hat.

Zur Frage des Alters der abgebildeten Person hat der Bundesgerichtshof zum Tatbestand der Verbreitung pornographischer Schriften entschieden, daß stets dann, wenn es sich tatsächlich um ein Kind handelt, das Tatbestandsmerkmal “sexuellen Mißbrauch von Kindern zum Gegenstand haben” erfüllt ist. Nur in den übrigen Fällen (etwa bei Zeichnungen oder einer tatsächlich älteren Person) kommt es auf die Beurteilung des “verständigen” Betrachters an.

Der Bundesgerichtshof stellt klar, daß diese Entscheidung nicht den Provider betrifft. Die zitierten Strafvorschriften sind im Anhang abgedruckt.

Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof daher die Revision des Angeklagten verworfen und der Revision der Staatsanwaltschaft stattgegeben.

BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 – 1 StR 66/01 Karlsruhe, den 27. Juni 2001