BGH: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen in den nächsten Monaten

Nr. 5/2002

Vorschau auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen in den nächsten Monaten des Jahres 2002

Verhandlungstermin: 22. Januar 2002

5 StR 130/01

LG Berlin – 2 Wi Js 137/97 KLs

Ein türkischer Fahrschulinhaber in Berlin ist wegen Bestechung von vier Fahrprüfern der Berliner DEKRA in mehreren Fällen zu insgesamt drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach den Urteilsfeststellungen hatte er die Prüfer, die wegen Bestechlichkeit zu Bewährungsstrafen verurteilt worden sind, gegen Geldzahlungen zur Durchführung manipulierter theoretischer Fahrprüfungen zugunsten seiner Fahrschüler veranlaßt.

Auf die Revisionen sämtlicher fünf Angeklagter und der Staatsanwaltschaft – sie beanstandet zahlreiche Teilfreisprüche, die ungeachtet eines weitgehenden Geständnisses des Hauptangeklagten ergangen sind, ferner das Strafmaß gegen die ihre Täterschaft bestreitenden Prüfer – findet am 22. Januar 2002 die Revisionshauptverhandlung statt.

Verhandlungstermin: 23. Januar 2002

5 StR 391/01

LG Berlin – 1 Kap Js 1178/00 Ks

Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Angeklagte tötete vorsätzlich seine 14jährige Cousine, deren “freizügiges Verhalten” ihn “provozierte”, aus einem “Bestrafungs- und Zerstörungsimpuls” mit “Vernichtungswillen”. Er versetzte ihr eine große Zahl von Messerstichen in den Rumpf und mißhandelte sie im Genitalbereich schwer. Das Landgericht hat – nach Anhörung zweier psychiatrischer Sachverständiger – uneingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen. Insbesondere hiergegen wendet sich dessen Revision.

Verhandlungstermin: 31. Januar 2002

4 StR 289/01

LG Wuppertal – 21 KLs 411 Js 533/99 – 2/00 I –

Gegenstand des Verfahrens, das sich noch gegen sieben Angeklagte richtet, ist der Unfall der Wuppertaler Schwebebahn am 12. April 1999, bei dem fünf Fahrgäste getötet und zahlreiche weitere Fahrgäste verletzt wurden. Unfallursache war, daß nach Abschluß von Bauarbeiten im Bereich der Unfallstelle eine der Stahlkrallen, an der während der Bauarbeiten eine Hilfskonstruktion zur Stabilisierung des Tragegerüstes angebracht war, vor der Freigabe der Strecke nicht demontiert worden war.

Das Landgericht hat den für das Sicherheitskonzept zuständigen Angeklagten und die mit dem Abbau der Hilfskonstruktionen einschließlich der Stahlkrallen im Bereich der Unfallstelle beauftragten Arbeiter teils aus Rechtsgründen teils aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Die Angeklagten, die ihren Kontrollpflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen waren, hat es jeweils wegen fahrlässiger Tötung in fünf rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in 37 rechtlich zusammentreffenden Fällen zu Bewährungsstrafen verurteilt.

Das Urteil ist sowohl von den verurteilten Angeklagten, als auch von der Staatsanwaltschaft und einigen Nebenklägern angegriffen worden. Die Staatsanwaltschaft beanstandet die Freisprüche der Arbeiter und, soweit Verurteilung erfolgt ist, die Höhe der erkannten Strafen.

Verhandlungstermin: 6. Februar 2002

1 StR 513/01

LG Heidelberg – 6 Ks 20 Js 20402/00

Eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Heidelberg hat den Angeklagten, der den Tatvorwurf bestreitet, am 5. Juli 2001 wegen Totschlags und Unterschlagung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und einem Monat verurteilt und dabei folgende Feststellungen zugrunde gelegt: Der Angeklagte und sein späteres Opfer, das infolge Kinderlähmung an den Rollstuhl gefesselt war, waren seit mehreren Jahren befreundet. Der Angeklagte gab vor, in Düsseldorf eine Wohnung sowie eine Lehrstelle zu haben; tatsächlich war er erwerbslos und verbrachte seine meiste Zeit in Spielhallen. Deshalb war er nicht in der Lage, den von seinem Freund geliehenen und nun zurückgeforderten Darlehensbetrag von 8.000 DM zurückzuzahlen. Da er sich immer tiefer in Lügen verstrickt hatte und deren Offenbarung gegenüber seiner Familie fürchtete, suchte er am 8. September 2000 seinen Freund in dessen Wohnung in Neckargemünd zu einer Aussprache auf.Aus Angst vor dem mit der Aufdeckung seines Doppellebens verbundenen “Gesichtsverlust” brachte er dort seinem zunächst im Rollstuhl sitzenden und dann auf dem Boden liegenden Freund eine Vielzahl von Messerstichen bei, so daß dieser binnen zehn Minuten verblutete. Der Angeklagte nahm ein Mobiltelefon und Geld seines Opfers an sich und floh sodann vom Tatort. Das Landgericht hat ein Handeln aus “niedrigen Beweggründen” und damit eine Bestrafung des aus Vietnam stammenden Angeklagten wegen Mordes mit folgender Begründung abgelehnt: “Obwohl im Wesentlichen in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen, war seine Vorstellungswelt durch seine asiatische Herkunft und Umgebung geprägt. … Die Enthüllung seines Doppellebens (hätte) nicht nur ihn selbst bloßgestellt, sondern möglicherweise auch Schande über seine Familie gebracht”. Gegen die Verurteilung haben die Staatsanwaltschaft, die eine Bestrafung wegen Mordes erstrebt, und der Angeklagte Revision eingelegt.

Termin: 19. Februar 2002

1 StR 553/01

LG Ravensburg – 1 Ks 30 Js 36780/98 AK 30/00

Das Verfahren betrifft ebenfalls ihm Rahmen der nationalsozialistischen Massenmorde begangene Straftaten im Raum Theresienstadt. Das Landgericht Ravensburg hat den im Jahre 1918 geborenen Angeklagten nach einer 38-tägigen Hauptverhandlung am 3. April 2001 wegen Mordes in sieben tateinheitlichen Fällen zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Der Angeklagte war nach den Feststellungen kurz vor dem Kriegsende ab Mitte März 1945 als kommandierender Offizier einer Nachrichtenschule der Waffen-SS in Leitmeritz (etwa 50 km von Prag entfernt) auch mit der Bewachung von Häftlingen befaßt. In der Nähe befanden sich das Ghetto Theresienstadt, die eigentliche Festungsanlage Theresienstadt und das “Kleine Festung” genannte Gefängnis der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Die dortigen Häftlinge, darunter viele Menschen jüdischer Abstammung, mußten einen Panzergraben ausheben. Dabei kam es zu zahlreichen Übergriffen des Bewachungspersonals, insbesondere auch von Angehörigen der Nachrichtenschule. Während des mehrwöchigen Arbeitseinsatzes wurden Dutzende von Häftlingen ohne jeglichen Grund erschossen. Der Angeklagte selbst – so die Feststellungen des Landgerichts – erschoß binnen etwa einer Minute aus Freude an der Vernichtung menschlichen Lebens (aus niedrigen Beweggründen und Mordlust) willkürlich nacheinander sieben jüdische Häftlinge, die im Panzergraben gearbeitet und keinerlei Veranlassung zu dieser Tat gegeben hatten.

Gegen das Urteil haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Der Angeklagte, der die Tat bestreitet, begehrt einen Freispruch. Die Staatsanwaltschaft wendet sich dagegen, daß der Angeklagte nicht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Das Landgericht hatte von dieser Strafe unter Berufung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 45, 187) abgesehen, weil die Tat 55 Jahre zurückliegt und der Angeklagte bereits 83 Jahre alt ist. Damit lägen außergewöhnliche Umstände vor, die aufgrund des Übermaßverbotes ein Absehen von der nach dem Strafgesetzbuch ansonsten für Mord zwingend zu verhängenden lebenslangen Freiheitsstrafe gebieten würden.

Verhandlungstermin: 28. Februar 2002

4 StR 152/01

LG Bielefeld – 1 KLs St 1/97 I

Das Landgericht, das seine Zuständigkeit wegen der besonderen Bedeutung des Falles für die rasche Klärung einer grundsätzlichen Rechtsfrage angenommen hat, hat den Angeklagten u.a. wegen vorsätzlichen Betreibens einer Apotheke ohne die erforderliche Erlaubnis in 12 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe und einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Es hat ihm zur Last gelegt, unter Verstoß gegen das apothekenrechtliche Beteiligungs- und Mehrfachbetriebsverbot unter Einsatz scheinselbständiger Apotheker eine Apothekenkette betrieben zu haben. Mit seiner Revision wendet der Angeklagte sich u.a. gegen die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts. Insbesondere beanstandet er jedoch, daß das apothekenrechtliche Beteiligungs- und Mehrfachbetriebsverbot gegen Art. 12 GG und gegen europäisches Recht verstoße Die Frage, ob das der Verbotsnorm zugrundeliegende Bild vom “Apotheker in seiner Apotheke” mit der gegenwärtigen Rechtsordnung vereinbar ist, ist in Fachkreisen e mit solchen Anleihen Börsentermingeschäfte sind. Wenn dies der Fall sein sollte, wären solche Geschäfte mit nicht börsentermingeschäftsfähigen Privatanlegern unverbindlich. Privatanleger könnten dann von Banken in zahlreichen Fällen den Ausgleich erlittener Verluste verlangen.

Termin: noch nicht bestimmt

1 StR 222/01

LG München I -4 KLs 315 Js 42005/97

Das Landgericht München I hat nach 40 Verhandlungstagen am 23. August 2000 einen Juraprofessor aus Hamburg, einen Rechtsanwalt aus München und zwei Vorstandsmitglieder der Raiffeisenbank Germering-Olching u.a. wegen Betrugstaten zu Freiheitsstrafen zwischen 16 Monaten und über fünf Jahren verurteilt. Gegen die Verurteilung haben alle vier Angeklagten Revision eingelegt. Das Verfahren betrifft insbesondere sog. Pensionsgeschäfte, die für die Raiffeisenbank mit existenzgefährdenden Risiken behaftet waren. Geschäftspartner war dabei die Gesellschaft für Geld- und Kapitalanlagen aus München, deren Geschäftsführer und Prokurist in diesem Zusammenhang bereits rechtskräftig zu Freiheitsstrafen von 5 1/2 bzw. 8 1/2 Jahren verurteilt worden sind. Der Bundesgerichtshof wird sich u.a. bei einer der vier abgeurteilten Taten, die das Landgericht als versuchten Betrug gewertet hat, mit der Frage befassen müssen, wo bei einer gemeinschaftlichen Täuschung eines Kreditgebers die Grenze zwischen der straflosen Vorbereitungshandlung und dem strafbaren Versuch verläuft.

Termin: noch nicht bestimmt

1 StR 372/01

LG Heidelberg – 1 KLs 42 Js 22565/97

Das Verfahren betrifft die Abgrenzung zwischen der erwünschten privatwirtschaftlichen Förderung von Forschungen an staatlichen Universitäten (“Drittmittelförderung”) einerseits und dem strafbaren Verhalten (insbesondere Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und Untreue) andererseits. Das Landgericht Heidelberg hat am 28. März 2001 den Angeklagten, einen Professor und Ärztlichen Direktor im Universitätsklinikum in Heidelberg, wegen Untreue und Vorteilsnahme zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 1.000 DM verurteilt. Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte er eine Drittmittelvereinbarung mit einer Medizintechnikfirma geschlossen, von der die Universitätsklinik hauptsächlich Herzschrittmacher bezog. Fünf Prozent aus dem Umsatz mit diesen Produkten sollten ihm zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellt werden. Um die vorgeblich ineffiziente Drittmittelverwaltung der Universität zu umgehen, gründete der Angeklagte mit seinen Mitarbeitern den Verein “Freunde und Förderer der Herzchirurgie”, dessen erster Vorsitzender er wurde. Anschließend wurden 1990 bis 1992 von dem Medizintechnikunternehmen rund 160.000 DM dem Konto des Vereins gutgeschrieben. Der Angeklagte verwendete die Gelder, über die er allein verfügen konnte, ausschließlich im Rahmen seiner Forschungstätigkeit an der Universität. Nach Auffassung des Landgerichts handelte es sich bei den umsatzgebundenen Zahlungen um eine teilweise Rückvergütung des Kaufpreises, die der Universität als Käuferin zugestanden habe. Der Angeklagte habe durch die Nichtweiterleitung der Gelder an die Universität den Tatbestand der Untreue erfüllt. Darüber hinaus stelle sich die Annahme der Gelder auch als Vorteilsannahme dar, weil der Angeklagte als Beamter für Diensthandlungen – die Beschaffung von Medizinprodukten – Vorteile angenommen habe. Aus seiner Verpflichtung zur Einwerbung von Drittmitteln ergebe sich keine generelle Genehmigung jeder Art der Forschungsfinanzierung. Durch die Zwischenschaltung des Vereins “Freunde und Förderer der Herzchirurgie” habe er Anzeige- und Abwicklungsvoraussetzungen umgangen. Gegen das Urteil haben die Staatsanwaltschaft, die eine härtere Bestrafung und eine Verurteilung auch wegen Bestechlichkeit erstrebt, und der Angeklagte, der eine Aufhebung des Urteils beantragt hat, Revision eingelegt. Der 1. Strafsenat hat sich daher nun mit grundsätzlichen Abgrenzungsfragen im Bereich der Drittmittelförderung, die jüngst auch zu einer Gesetzesinitiative des Bundesrates geführt haben, zu befassen. Unter den Begriff “Drittmittel” fallen private (nicht aus staatlichen Haushaltsmitteln stammende) Gelder und sonstige geldwerte Vorteile, die für die staatliche Forschung und Lehre insbesondere den Universitäten zugewandt werden. Angesichts angespannter staatlicher Finanzen und im Interesse des “Forschungsstandortes Deutschland” wird von staatlichen Stellen eine Steigerung der die mehrere hundert Tonnen umfassenden Abfälle (darunter ätzende und krebserregende Chemikalien) als angebliche Wirtschaftsgüter ins Ausland. Das Landgericht München I hat ihn nach einer vierzigtägigen Hauptverhandlung wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen (§ 326 StGB) und einer Vielzahl von Betrugstaten zu fünf Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt sowie seine Unterbringung in ein psychiatrisches Krankenhaus angeordnet. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt. Hinsichtlich einer der insgesamt 84 abgeurteilten Taten wird der 1. Strafsenat sich mit der Frage zu befassen haben, wann bei einem unerlaubten Export die Grenze der straflosen Vorbereitungshandlung überschritten und ein strafbarer Versuch (des Verbringens von gefährlichen Abfällen) anzunehmen ist.

Termin: noch nicht bestimmt

1 StR 538/01

LG München I – 1 Ks 320 Js 30118/00

Das Verfahren betrifft NS-Verbrechen. Das Landgericht München I hat den Angeklagten am 30. Mai 2001 wegen Mordes und versuchten Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Angeklagte war nach den Feststellungen des Landgerichts von 1940 bis Anfang Mai 1945 Aufseher in der “Kleinen Festung Theresienstadt”, einer neben dem Konzentrationslager Theresienstadt bestehenden Außenstelle des Gestapo-Gefängnisses Prag-Pankraz. Das als Durchgangsgefängnis vorgesehene Lager wurde vom Aufsichtspersonal als Vernichtungslager geführt. Von den zwischen 1940 und 1945 dort inhaftierten ca. 30.000 bis 35.000 Häftlingen kamen nachweislich mindestens 2.500 wegen der unmenschlichen Arbeitsbedingungen, der unvorstellbaren hygienischen Verhältnisse und durch darüber hinausgehende Greueltaten ihrer Bewacher um. Gegen den Angeklagten waren deshalb auch in der Bundesrepublik seit 1970 wiederholt Ermittlungsverfahren anhängig, die jedoch mangels Tatnachweises eingestellt wurden.

Aufgrund insbesondere neuer Zeugenaussagen sah das Landgericht München I nun zwei Taten als erwiesen an, die bislang nicht Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens waren. Danach schlug der Angeklagte im September 1943 auf einen namentlich nicht bekannten Häftling, der bei Erntearbeiten außerhalb des Lagers eingesetzt war, zunächst mit einem Stock ein und schoß dann aus nächster Nähe zweimal auf ihn. Ob der Mann starb, konnte nicht geklärt werden. Ende September 1944 versetzte der Angeklagte einem jüdischen Ingenieur mit einem massivem Haselnußstock Schläge, bis er zusammenbrach. Auf den am Boden liegenden Häftling trat er ein, bis er aus dem Mund blutete. Der Häftling starb.

Gegen das Urteil hat der 89-jährige Angeklagte, der sich seit Mai 2000 in Untersuchungshaft befindet, Revision eingelegt. Er rügt, nicht verhandlungsfähig zu sein, und, daß das Verfahren wegen der bereits sehr lange zurückliegenden Taten gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße.

Termin: noch nicht bestimmt

3 StR 446/01

LG Rostock – I KLs 15/99 312 Js 10229/98

Die Staatsschutzkammer des Landgerichts Rostock hat den Angeklagten Manfred Roeder wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit Verunglimpfung des Staates und Beleidigung unter Einbeziehung mehrerer Freiheitsstrafen aus vorangegangenen Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Landgericht ist dabei von folgenden Feststellungen ausgegangen:

Der mehrfach wegen einschlägiger Straftaten vorbestrafte und nationalsozialistischem Gedankengut verhaftete Angeklagte kandidierte im Bundestagswahlkampf 1998 für die NPD. Auf dem Bundesparteitag der NPD am 11. Januar 1998 äußerte sich der Angeklagte in seiner Rede vor etwa 170 Delegierten sowie einer großen Anzahl Besucher und Journalisten unter anderem zu einem Vorfall während einer von ihm so bezeichneten “Mahnwache” gegen die Wehrmachtsausstellung in Marburg, wo er von vermummten Gegendemonstranten durch Knüppelschläge verletzt worden war. Der Angeklagte erklärte, daß die in unmittelbarer Nähe anwesenden Polizisten diesen durch “linkes, vermummtes Gesindel” verübten “Mordanschlag” nicht verhindert hätten, was “dann ja eine Entscheidung von oben” gewesen sein müsse. Nach der Überzeugung des Landgerichts verfolgte er damit die Absicht, die Bundesrepublik Deutschland zu verunglimpfen und als Unrechtsstaat darzustellen, der tatenlos die Ermordung ihm unliebsamer Personen hinnehme. Im weiteren Verlauf der Rede beklagte der Angeklagte die Zuwanderung insbesondere von “Rußlandjuden”. In diesem Zusammenhang führte er wörtlich aus: “Jeder, der gezielte Rassenvermischung betreibt, ist ein gottloser Lump, ein Teufel.” Mit dieser Äußerung kam es ihm – so das Landgericht – darauf an, bei seinen Gesinnungsgenossen den Haß gegen andersgläubige und/oder ausländische Bevölkerungsgruppen zu schüren und diese zu diffamieren. Den damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, bezeichnete der Angeklagte in der vom Landgericht angenommenen Absicht, ihn zu beleidigen, als “Großmaul” und titulierte ihn als “Gauleiter Bubis”.

Der Angeklagte erhebt mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Revision sowohl die Rüge der Verletzung materiellen Rechts als auch mehrere Verfahrensrügen.

Termin: noch nicht bestimmt

5 StR 138/01

LG Hildesheim – 22 KLs 223 Js 80678/98

Das Landgericht Hildesheim hat einen Gemeindeverwaltungsrat wegen Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten hat es wegen Bestechung eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt und ihn wegen Steuerhinterziehung zusätzlich zu einer Geldstrafe verurteilt. Daneben hat das Landgericht gegen den Gemeindebeamten den Verfall in Höhe von 200.000 DM und gegen den Mitangeklagten in Höhe von 6,5 Mio. DM angeordnet. Nach den Urteilsfeststellungen setzte sich der Gemeindebeamte als Bauamtsleiter u. a. jahrelang für den Mitangeklagten ein, der einen Gartenmarkt im Außenbereich der Gemeinde erweitern und Grundstücksgeschäfte tätigen wollte, und verstieß dabei bewußt gegen seine dienstlichen Pflichten. Insbesondere nahm er zugunsten des Mitangeklagten auf die gemeindliche Bauleitplanung sowie auf Baugenehmigungsverfahren Einfluß. Für seine Gefälligkeiten erhielt er erhebliche Geldbeträge, die er zudem auch nicht versteuerte.

Die Angeklagten begehren mit ihren Revisionen die Aufhebung des gesamten Urteils. Dagegen erstrebt die Staatsanwaltschaft mit ihrer ausschließlich hinsichtlich des Mitangeklagten erhobenen Revision vor allem eine erheblich höhere Verfallssumme.

Termin: noch nicht bestimmt

5 StR 281/01

LG Berlin – 25 Js 4/94 Ks

Das Landgericht Berlin hat drei ehemalige Mitglieder des Politbüros der DDR von dem Vorwurf freigesprochen, sich in der Form des Unterlassens durch ihre Beteiligung an der Aufrechterhaltung der Grenzsperranlagen der DDR wegen Totschlags – zum Teil in mehreren Fällen – strafbar gemacht zu haben. In dem Tatzeitraum hatten die Grenztruppen der DDR mehrere Flüchtlinge erschossen. Gegen diesen Freispruch wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und einer Nebenklägerin. In Rede stehen insbesondere Probleme der Strafbarkeit wegen Unterlassens.

Termin: noch nicht bestimmt

5 StR 448/01

LG Frankfurt am Main – 5/28 KLs 94 Js 37644.3/98

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die drei Angeklagten wegen Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen von sieben Monaten, einem Jahr sowie einem Jahr und drei Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafen zur Bewährung ausgesetzt.

Bei den Angeklagten handelt es sich um zwei Präsidiumsmitglieder eines Fußball­bundesligavereins und um den Inhaber einer Werbeagentur. Nach den Feststellungen des Landgerichts haben die Angeklagten eine Gehaltszahlung des Vereins in Höhe von 2,3 Millionen DM an einen fest angestellten Spieler wahrheitswidrig als Leistung an die Werbeagentur des einen Angeklagten dargestellt und dadurch dem Spieler, der die Einkünfte nicht versteuerte, die Hinterziehung von Einkommensteuer in Höhe von 360.000 DM erleichtert. Das Landgericht sieht es als erwiesen an, daß eine Übertragung der Vermarktungsrechte für den Spieler von der Werbeagentur auf den Fußballverein nur zum Schein erfolgte, um die genannte Gehaltszahlung zu verschleiern. Die Nichtanmeldung der für das Gehalt zu entrichtenden Lohnsteuern von mehr als 1,2 Mio. DM beim Finanzamt stelle daher ebenso Steuerhinterziehung durch die angeklagten Präsidiumsmitglieder dar, wie die von ihnen gegenüber dem Finanzamt vorgenommene Geltendmachung einer auf den Vermarktungsvertrag getätigten Mehrwertsteuerzahlung in Höhe von 300.000 DM.

Mit ihren Revisionen erstreben die Angeklagten, die sich vor allem gegen die Qualifizierung des Verwertungsvertrages als Scheingeschäft wenden, die Aufhebung des Urteils.

Termin: noch nicht bestimmt

5 StR 485/01

LG Hamburg 628 KLs 23/98

Das Landgericht Hamburg hat den Angeklagten, einen Rechtsanwalt, vom Vorwurf der Volksverhetzung, der Beleidigung und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Als Verteidiger eines seinerseits wegen Volksverhetzung angeklagten Mandanten hatte der Angeklagte in einer Berufungsverhandlung einen Beweisantrag gestellt, in dem er u.a. behauptete, in den Konzentrationslagern Auschwitz und Birkenau habe es keine planmäßige Massenvernichtung von Menschen gegeben.

Das Landgericht ist der Auffassung, daß der angeklagte Rechtsanwalt dadurch den Holocaust zwar geleugnet und damit u.a. eine Volksverhetzung begangen habe. Einer Bestrafung stehe aber entgegen, daß der Angeklagte zur Verteidigung eines Beschuldigten in einem einschlägigen Strafverfahren gehandelt habe. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft.

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