BGH: Entscheidung zur vorbehaltenen Sicherungsverwahrung aufgehoben

Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen mehrfachen sexuellen Mißbrauchs
von Kindern und Jugendlichen unter Einbeziehung einer Einzelstrafe aus einer
anderen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und
sechs Monaten verurteilt und gleichzeitig die Anordnung der
Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66 a StGB). Gegen das Urteil haben
sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt.
Der Angeklagte will mit seiner auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten
Revision u. a. den Wegfall der Anordnung der vorbehaltenen

Sicherungsverwahrung erreichen. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrem
auf den Maßregelausspruch beschränkten Rechtsmittel die sofortige Anordnung
der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB. Der 2. Strafsenat des
Bundesgerichtshofs hat das Urteil des Landgerichts auf die Revision beider
Seiten hinsichtlich des Maßregelausspruchs und im Gesamtstrafenausspruch auf
die Revision des Angeklagten aufgehoben und die Sache insoweit an das
Landgericht zurückverwiesen.

Die Möglichkeit, die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorzubehalten (§ 66
a StGB), statt sie sofort anzuordnen, hat der Gesetzgeber im Jahre 2002
geschaffen. Diese ist nicht zu verwechseln mit der im vergangenen Jahr
eingeführten Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der

Sicherungsverwahrung in § 66 b StGB. Mit § 66 a StGB soll es ermöglicht
werden, die Bevölkerung auch vor solchen gefährlichen Straftätern zu
schützen, bei denen die Gefährlichkeit für die Allgemeinheit bei Aburteilung
der Anlaßtat noch nicht hinreichend sicher feststellbar ist, sich aber
möglicherweise noch im Verlauf des Strafvollzugs erweist. Die Maßregel kann
dann aufgrund des Vorbehalts auch noch später angeordnet werden.

Die Anordnung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung nach § 66 a StGB
begegnet im vorliegenden Fall rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat
einerseits einen unzulässig hohen Maßstab an die Rückfallgefahr angelegt und
andererseits insoweit fehlerhaft auf den Zeitpunkt des Vollzugsendes statt
des Urteils abgestellt. Der Senat kann weder ausschließen, daß sich die
Fehler (jedenfalls zum Teil) zu Gunsten, noch daß sie sich zu Lasten des
Angeklagten ausgewirkt haben.

In diesem Zusammenhang hat der 2. Strafsenat die bisher umstrittene Frage
entschieden, daß es auch für den Vorbehalt der Anordnung der
Sicherungsverwahrung der Feststellung eines Hangs zu erheblichen Straftaten
– ebenso wie bei der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB – bedarf. Lediglich
die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit muß nicht mit
hinreichender Sicherheit feststellbar sein. Er hat damit die
Voraussetzungen, unter denen ein Vorbehalt ausgesprochen werden kann,
klargestellt. Nach den Gesetzesmaterialien sollte es zwar einer
Hangfeststellung nicht bedürfen, ausschlaggebend für die Entscheidung des
Senats waren insoweit der eindeutige Gesetzeswortlaut, in dem die
gesetzgeberische Absicht keinen Niederschlag gefunden hat, und Erwägungen
der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs.

Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05

LG Marburg – 3 KLs 1 Js 2765/04

Karlsruhe, den 8. Juli 2005