BGH: Entscheidung zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung

Das Landgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 20. Dezember 2004 gegen den
Beschwerdeführer gemäß § 66 b Abs. 2 StGB nachträglich die
Sicherungsverwahrung angeordnet. Dieser war am 26. November 1992 wegen
versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt
worden, da er auf eine ihm nur flüchtig bekannte Frau mit dem Springmesser
eingestochen hatte, weil er sich in seiner Hoffnung auf ein sexuelles
Abenteuer, zu der ihm das spätere Opfer keinen Anlass gegeben hatte,
enttäuscht sah. Diese Tat hatte er begangen, nachdem er erst zwei Monate
zuvor nach Teilverbüßung einer wegen Mordes durch das Bezirksgericht Halle
angeordneten Freiheitsstrafe von 15 Jahren, die auf Grundlage des
Einigungsvertrages in eine Jugendstrafe von zehn Jahren umgewandelt worden
war, infolge Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung aus der Haft entlassen
worden war. Der Verurteilte verbüßte die Strafe aus dem Urteil des
Landgerichts Magdeburg und die Reststrafe aus dem Urteil des Bezirksgerichts
Halle bis zum 19. März 2002. Auch danach verblieb er weiterhin in der
Justizvollzugsanstalt, zunächst auf Grund von Unterbringungsanordnungen
nach den Vorschriften des Gesetzes über die Unterbringung besonders
rückfallgefährdeter Personen (UBG) des Landes Sachsen-Anhalt, und, nachdem
das Bundesverfassungsgericht das Gesetz auf die Verfassungsbeschwerde des
Verurteilten für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt hatte, seit dem
28. Juli 2004 auf Grund Unterbringungsbefehls des Landgerichts Magdeburg
gemäß § 275a Abs. 5 StPO.

Auf die Revision des Verurteilten hat der 4. Strafsenat des
Bundesgerichtshofs das die nachträgliche Sicherungsverwahrung anordnende
Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Landgericht
Magdeburg zurückverwiesen. Den Unterbringungsbefehl hat der Senat jedoch
nicht aufgehoben.

§ 66 b StGB verlangt für eine Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nach der Anlassverurteilung erkennbar gewordene
Tatsachen, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die
Allgemeinheit hinweisen. Eine solche neue Tatsache hat das Landgericht darin
gesehen, dass bei dem Verurteilten während des Strafvollzugs eine
“dissoziale Persönlichkeitsstörung” zutage getreten sei bzw. sich verfestigt
habe. Diese Begründung des Landgerichts hat der Senat beanstandet. Denn
nach der Rechtsprechung des Senats stellt die Diagnose einer „dissozialen
Persönlichkeitsstörung„ für sich keine neue Tatsache dar. Neue Tatsachen
können vielmehr nur die dieser Wertung zugrunde liegenden sog.
Anknüpfungstatsachen sein. Hierauf, insbesondere auf die Auffälligkeiten
des Verurteilten während des Strafvollzuges, hat das Landgericht seine
Entscheidung jedoch nicht gestützt. Dies wird das Landgericht nunmehr zu
prüfen haben. Die Sache muss deshalb neu verhandelt werden.

Urteil vom 19. Januar 2006 – 4 StR 222/05

Landgericht Magdeburg – Entscheidung vom 20. Dezember 2004 – 21 Ks 18/04

Karlsruhe, den 20. Januar 2006