Das FG Rheinland-Pfalz, das nicht nur für das Steuer- und Kindergeldrecht, sondern auch für
berufsrechtliche Angelegenheiten der Steuerberater (u.a. Prüfungsentscheidungen der Steuerberaterprüfung)
zuständig ist, hat mit Urteil vom 22. November 2005 (Az. 2 K 1410/05) zu der Frage Stellung genommen,
unter welchen Umständen die Durchführung der mündlichen Steuerberaterprüfung von einer Kandidatin, die die
Prüfung nicht bestanden hat, beanstandet werden kann.
Im Streitfall war die Kandidatin nach dem schriftlichen Teil der Steuerberaterprüfung zwar zur mündlichen
Prüfung zugelassen worden. Ihre Leistungen in der mündlichen Prüfung wurden jedoch so bewertet, dass sich
ein für das Bestehen der Steuerberatungsprüfung negatives Prüfungsgesamtergebnis ergab. Die drei
Mitbewerber bestanden die Prüfung.
Vor dem FG Rheinland-Pfalz führte die Klägerin gegen die Bewertung der mündlichen Prüfung Klage und
begründete das u. a. damit, dass sie die Prüfungskommission „schlecht behandelt“ habe. Die Protokollierung
der mündlichen Prüfung und die Zusammensetzung der Prüfungsgruppe und der Prüfungskommission werde
beanstandet. Sie – die Klägerin – habe als erste in der Reihe der Prüflinge gesessen, obwohl die
Sitzordnung alphabetisch geordnet gewesen sei und ihr Nachname mit einem Buchstabe beginne, der das nicht
rechtfertige. Sie sei immer als erste befragt worden. Während ihres Kurzvortrages habe ein Prüfer ständig
„Grimassen“ gezogen, hierdurch sei sie irritiert worden. Die Prüfungszeit sei zu kurz gewesen. Teilweise
sei nicht eindeutig klar gewesen, worauf ein Prüfer hinausgewollt habe.
Die Klage, die auf eine Neubewertung der in der mündlichen Prüfung gezeigten Leistungen gerichtet war,
hatte jedoch keinen Erfolg.
Das FG Rheinland-Pfalz führte u. a. aus, es sei nicht festzustellen, dass den Leistungsbewertungen in der
mündlichen Prüfung sachfremde Erwägungen zu Grunde gelegen hätten oder dass allgemein gültige
Bewertungsgrundsätze oder die für die Prüfung maßgebenden Verfahrensbestimmungen missachtet worden seien.
Die klägerische Rüge der „schlechten Behandlung“ sei viel zu pauschal. Die über die mündliche Prüfung
gefertigte Niederschrift entspreche den notwendigen Voraussetzungen. Die Prüfungsnettozeit von rd. 135
Minuten sei nicht zu kurz bemessen gewesen. Eine Prüfungszeit von durchschnittlich rd. 34 Minuten pro
Bewerber reiche in der Regel aus, um sich ein hinreichend sicheres Bild der Kenntnisse und Befähigung von
Prüflingen zu verschaffen. Hinsichtlich der Kandidatenzusammensetzung sei anzumerken, dass es dem Gebot
der Chancengleichheit entspreche, in etwa gleich starke, bzw. schwache Kandidaten in einer Prüfungsgruppe
zusammenzufassen, als eine „Mischung“ vorzunehmen. Die Kläge!
rin habe die Position ihres Sitzplatzes bis zum Ablauf der Prüfung nicht gerügt. Außerdem weise die
Prüfungskommission zu Recht darauf hin, dass es hilfreich sei, schwächere Kandidaten als erste zu
befragen, um den entsprechenden Einstieg zu erleichtern. Erfahrungsgemäß beginne ein Prüfungsgespräch mit
leichteren Fragen.
Bei Unklarheiten in der Fragestellung hätten die Kandidaten nachfragen können. Unwissenheit der Prüflinge
könne allerdings nicht mit angeblich mangelnder Prüferkompetenz überdeckt werden, auch insoweit mangele es
an einer Konkretisierung durch die Klägerin. Abgesehen hiervon sei festzustellen, dass es sich bei den
Prüfern um hohe Beamte beim Finanzministerium, bzw. der Oberfinanzdirektion, bzw. langjährig tätige
Freiberufler und leitende Angestellte der freien Wirtschaft handele. Den Vorwurf des „Grimassenschneidens“
eines Prüfers weise das Gericht zurück. Bei einer mündlichen Prüfung habe es der Prüfling mit Menschen und
nicht mit Maschinen zu tun. Es sei daher in der Regel unvermeidlich, dass ein Prüfer bei falschen bzw.
abwegigen Ausführungen des Kandidaten einen unwilligen Gesichtsausdruck annehme. Das werde auch im
späteren Leben so sein. Als Steuerberaterin müsse die Klägerin damit fertig werden. Außerdem habe kein
Zwang bestanden, den am äußersten Ende des Prüfertisch!
s sitzenden Prüfer anzusehen, die Klägerin hätte bei ihrem Vortrag nämlich in der Mitte des Tischs
gesessen. Eine etwaige krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit hätte die Klägerin vor Prüfungsbeginn
geltend machen müssen Ein „spekulatives“ Abwarten des Prüfungsergebnisses verletze den Grundsatz der
Chancengleichheit.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.