Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Gewerbebetriebs. Er wurde im Jahr 1994 zusammen mit seiner
Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens von
622.878 DM setzte das Finanzamt die Einkommensteuer auf 260.262 DM fest. Die von der Gemeinde
festgesetzte Gewerbesteuerschuld des Beschwerdeführers belief sich auf 112.836 DM. Gegen den Einkommensteuerbescheid
1994 legten die Eheleute erfolglos Einspruch ein, mit dem sie rügten, die Einkommen-
und Gewerbesteuer verstoße gegen den vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts
mit Beschluss vom 22. Juni 1995 (BVerfGE 93, 121) ausgesprochenen „Halbteilungsgrundsatz„, da die
Gesamtbelastung des Einkommens mit Steuern über 50 v. H. liege. Die Klage, mit der sie sinngemäß
beantragten, die Einkommensteuer auf 187.731 DM herabzusetzen, blieb vor dem Finanzgericht und
dem Bundesfinanzhof ohne Erfolg. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde vom Zweiten
Senat des Bundesverfassungsgerichts zurückgewiesen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. Der Bundesfinanzhof hat zutreffend angenommen, dass sich dem Beschluss des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 keine verbindliche verfassungsrechtliche Obergrenze
für die Gesamtbelastung mit der Einkommen- und Gewerbesteuer entnehmen lässt. Der Beschluss
hat keine verfassungsrechtliche Obergrenze für die Gesamtbelastung mit der Einkommen- und Gewerbesteuer
zum Gegenstand. Vielmehr ging es allein um die Grenze der Gesamtbelastung des Vermögens
durch eine Vermögensteuer, die neben der Einkommensteuer erhoben wird. Die daraus entstehende
Belastungswirkung ist nicht ohne weiteres mit der Belastungswirkung vergleichbar, die
durch die Einkommen- und Gewerbesteuer entsteht.
2. Die Gesamtbelastung durch Einkommen- und Gewerbesteuer verletzt den Beschwerdeführer nicht in
seinem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG.
Zwar fällt die Steuerbelastung in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie. Der innerhalb einer Besteuerungsperiode
erfolgte Hinzuerwerb von Eigentum im Sinne des Art. 14 GG ist tatbestandliche
Voraussetzung für die belastende Rechtsfolgenanordnung sowohl des Einkommen- als auch des
Gewerbesteuergesetzes. Der Steuerpflichtige muss zahlen, weil und soweit seine Leistungsfähigkeit
durch den Erwerb von Eigentum erhöht ist.
Der Zugriff auf das Eigentum ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Aus dem Eigentumsgrundrecht lässt sich keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze
in der Nähe einer hälftigen Teilung („Halbteilungsgrundsatz„) ableiten. Der Wortlaut des Art. 14
Abs. 2 Satz 2 GG („Der Gebrauch des Eigentums soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen„)
kann nicht als ein striktes, grundsätzlich unabhängig von Zeit und Situation geltendes Gebot
hälftiger Teilung zwischen Eigentümer und Staat gedeutet werden. Vielmehr wird die Gestaltungsfreiheit
des Gesetzgebers auch bei der Schrankenbestimmung durch Auferlegung von Steuerlasten durch
die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Dabei ist wesentlich zu berücksichtigen,
dass die zu bewertende Intensität der Steuerbelastung insbesondere bei der Einkommensteuer
nicht allein durch die Höhe des Steuersatzes bestimmt wird, sondern erst durch die Relation zwischen
Steuersatz und Bemessungsgrundlage. Je breiter die Bemessungsgrundlage ausgestaltet ist,
etwa durch Abschaffung steuerlicher Verschonungssubventionen oder Kürzung von Abzügen, desto
belastender wirkt sich derselbe Steuersatz für die Steuerpflichtigen aus. Ferner ist zu bedenken, dass
die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich zur Versteuerung niedrigerer Einkommen angemessen
auszugestalten ist. Wählt der Gesetzgeber einen progressiven Tarifverlauf, ist es grundsätzlich
nicht zu beanstanden, hohe Einkommen auch hoch zu belasten, soweit beim betroffenen Steuerpflichtigen
nach Abzug der Steuerbelastung ein hohes, frei verfügbares Einkommen bleibt, das die
Privatnützigkeit des Einkommens sichtbar macht. Auch wenn dem Übermaßverbot keine zahlenmäßig
zu konkretisierende allgemeine Obergrenze der Besteuerung entnommen werden kann, darf allerdings
die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen für den Regelfall nicht so weit gehen,
dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr angemessen
zum Ausdruck kommt.
Für den Streitfall ist nicht erkennbar, dass eine verfassungsrechtliche Obergrenze zumutbarer Belastung
durch Einkommen- und Gewerbesteuer erreicht wäre. Das Einkommen- und Gewerbesteuerrecht
ist auch für hohe Einkommen gegenwärtig nicht so ausgestaltet, dass eine übermäßige Steuerbelastung
und damit eine Verletzung der Eigentumsgarantie festgestellt werden könnte.
Nr. 19/2006 vom 16. März 2006
Beschluss vom 18. Januar 2006
2 BvR 2194/99