BFH: Wahl der getrennten Veranlagung durch einen Ehegatten nach vorheriger Zusammenveranlagung

Eheleute können bei der Einkommensbesteuerung zwischen der

Zusammenveranlagung (§ 26b des Einkommensteuergesetzes –EStG–) und der
getrennten Veranlagung (§ 26a EStG) wählen. Sie können die getroffene Wahl
auch widerrufen, solange der Einkommensteuerbescheid noch anfechtbar ist.
Ändert das Finanzamt einen Zusammenveranlagungsbescheid, kann jeder der
Ehegatten bis zur Unanfechtbarkeit des Änderungsbescheids statt der
Zusammenveranlagung die getrennte Veranlagung beantragen, sofern der Antrag
nicht ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich ist.

Eheleute können nur einheitlich –entweder zusammen oder getrennt– veranlagt
werden. Entscheidet sich einer der Ehegatten nach einer bereits
durchgeführten Zusammenveranlagung zulässigerweise für die getrennte
Veranlagung, ist nach dem Bundesfinanzhof-Urteil (BFH) vom 3. März 2005 III R
22/02 auch für den anderen Ehegatten eine getrennte Veranlagung durchführen,
selbst wenn der Zusammenveranlagungsbescheid ihm gegenüber bestandskräftig
geworden und die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist.

Im entschiedenen Fall hatte das Finanzamt (FA) den

Zusammenveranlagungsbescheid für das Jahr 1985 im Jahr 1992 zugunsten der
Eheleute geändert. Aufgrund des Antrags der Ehefrau auf getrennte Veranlagung
führte das FA für beide Eheleute anstelle der Zusammenveranlagung getrennte
Veranlagungen durch. Der Ehemann wendete dagegen ein, die Festsetzungsfrist
sei Ende 1992 abgelaufen. Das FA habe daher im Jahr 1993 ihm gegenüber den
Zusammenveranlagungsbescheid nicht mehr aufheben und eine getrennte
Veranlagung durchführen dürfen.

Nach dem Urteil des BFH ergibt sich die Befugnis des FA zur Aufhebung des
bestandskräftigen Zusammenveranlagungsbescheids aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
der Abgabenordnung –AO 1977–. Danach hat das FA einen Steuerbescheid zu
erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das
steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Nach Auffassung des BFH ist
der Antrag auf getrennte Veranlagung ein Ereignis, das auf den
Veranlagungszeitraum zurückwirkt. Nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 wurde
daher die vierjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf Kalenderjahres, in dem das
rückwirkende Ereignis (der Antrag auf getrennte Veranlagung) eingetreten ist,
erneut in Lauf gesetzt, so dass das FA berechtigt und verpflichtet war, den
dem Kläger gegenüber ergangenen Zusammenveranlagungsbescheid aufzuheben und
einen Bescheid über die getrennte Veranlagung zu erlassen.