Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit drei Entscheidungen zu Streitfragen bei der
Besteuerung sog. Grenzgänger nach den Abkommen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung (DBA) mit der Schweiz und Frankreich Stellung genommen.
Sog. Grenzgänger sind Steuerpflichtige, die regelmäßig zwischen ihrem
Wohnsitz in einem Vertragsstaat und dem Arbeitsort im anderen Vertragsstaat
hin und zurück pendeln. Das Besteuerungsrecht für Grenzgänger steht nach den
DBA dem Wohnsitzstaat zu. Das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates entfällt
jedoch bei einer berufsbedingten Nichtrückkehr an den Wohnsitz an mehr als 60
Tagen (DBA-Schweiz) bzw. an mehr als 45 Tagen (DBA-Frankreich).
Der BFH hatte in den Streitfällen darüber zu befinden, ob diese Höchstgrenzen
durch Dienstreisen der Steuerpflichtigen überschritten wurden. Im Streitfall
I R 15/09 hat er dies für die Grenzgängerregelung des DBA-Schweiz bei einem
in Deutschland ansässigen und hier unbeschränkt Steuerpflichtigen verneint,
da bei der Berechnung der „schädlichen“ Nichtrückkehrtage zwar
Dienstreisetage mit auswärtiger Übernachtung in Deutschland zu
berücksichtigen waren, nicht aber solche Dienstreisetage, an denen der
Steuerpflichtige an den Wohnsitz zurückgekehrt ist (eintägige Dienstreisen,
Rückreisetage bei mehrtägigen Dienstreisen). Für das DBA-Frankreich – und
konkret einen in Frankreich wohnenden, in Deutschland mit seinen
Arbeitseinkünften beschränkt Steuerpflichtigen – hat der BFH dagegen im
Streitfall I R 84/08 angenommen, dass Dienstreisetage auch bei einer Rückkehr
an den Wohnsitz in diese Berechnung einzubeziehen sind, wenn der
Steuerpflichtige ganztägig außerhalb der im Abkommen festgelegten Grenzzone
gearbeitet hat. Keine Nichtrückkehrtage sind auch Krankheitstage während
einer mehrtägigen Dienstreise. Dienstreisetage, die auf Wochenenden oder
Feiertage entfallen, gehören demgegenüber nach beiden DBA regelmäßig nicht zu
den Nichtrückkehrtagen. Um einen Nichtrückkehrtag handelt es sich auch, wenn
der Arbeitnehmer während der Dienstreise infolge höherer Gewalt daran
gehindert ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen; im Streitfall I R 84/08
war dies eine „Taifunwarnung“.
Im Streitfall I R 83/08 war die Anwendung der Grenzgängerregelung des
DBA-Schweiz auf den in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten einer
Schweizer Kapitalgesellschaft ausgeschlossen, da die Höchstgrenze von 60
Tagen infolge der Dienstreisen überschritten war. Der BFH entschied unter
Berufung auf die abkommensrechtliche Sonderregelung für leitende Angestellte
von Kapitalgesellschaften, dass die Einkünfte aus der Tätigkeit für die
Schweizer Kapitalgesellschaft in Deutschland auch insoweit von der
Besteuerung freizustellen sind, als die Tätigkeit tatsächlich außerhalb der
Schweiz verrichtet worden ist.
Die Entscheidungen in den genannten Revisionsverfahren weichen zu einem
Gutteil von der einschlägigen Praxis der Finanzverwaltung ab und sind als
Präzedenzfälle von Bedeutung für eine Vielzahl weiterer Parallelverfahren,
die derzeit noch beim BFH, aber auch den Finanzgerichten und den
Finanzämtern, insbesondere in Baden-Württemberg, anhängig sind.
Urteil vom 11.11.09§ I R 83/08
Urteil vom 11.11.09§ I R 84/08
Urteil vom 11.11.09§ I R 15/09