BFH: Anrufung BVerfG – Soweit hälftiges Kindergeld zur Einkommensteuer des barunterhaltspflichtigen Elternteils hinzugerechnet, aber unterhaltsrechtlich nicht angerechnet wird, ist Besteuerung verfassungswidrig

Seit Einführung des Familienleistungsausgleichs durch das Jahressteuergesetz
(JStG) 1996 können Kindergeld und Kinderfreibetrag nicht mehr nebeneinander,
sondern nur noch alternativ in Anspruch genommen werden.

Werden Kinderfreibeträge abgezogen, weil ihre Entlastungswirkung höher ist
als das gezahlte Kindergeld, so wird das gezahlte Kindergeld (ab 2004: der
Anspruch auf Kindergeld) der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet (§ 31
Satz 5, § 36 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – 2001), um
eine doppelte Begünstigung zu vermeiden.

Bei Eltern, die nicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, wird das
Kindergeld in voller Höhe an den Elternteil ausgezahlt, der mit dem Kind
zusammenlebt und es betreut (§ 64 EStG). Da aber die kindbedingten
steuerlichen Entlastungen nach dem sog. Halbteilungsgrundsatz beiden
Elternteilen zustehen, hat der andere Elternteil, der seine Unterhaltspflicht
gegenüber dem Kind durch laufende monatliche Unterhaltszahlungen erfüllt,
einen zivilrechtlichen Anspruch auf Anrechnung des hälftigen Kindergeldes auf
seine Unterhaltsverpflichtung (§ 1612b Abs. 1 BGB). Diese Anrechnung
unterbleibt jedoch nach § 1612b Abs. 5 BGB i.d.F. des Gesetzes vom 2.
November 2000 (BGBl. I 2000, 1479), soweit der Unterhaltspflichtige
außerstande ist, Unterhalt in Höhe von 135 v.H. des Regelbetrages nach der
Regelbetrag-Verordnung zu leisten. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber
alleinerziehende Eltern unterhaltsrechtlich entlasten.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun mit Beschluss vom 30. November 2004 VIII R
51/03 das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen, weil nach seiner
Auffassung die Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB in vielen Fällen zu einer
verfassungswidrigen Besteuerung zum Barunterhalt verpflichteter Elternteile
führt. Das Gericht hält die Regelungen des EStG über den

Familienlastenausgleich insoweit für unvereinbar mit dem Grundgesetz, als
danach bei Steuerpflichtigen, deren Einkommen um die Kinderfreibeträge
gemindert wurde, die tarifliche Einkommensteuer auch dann um die Hälfte des
gezahlten Kindergelds zu erhöhen ist, wenn ihnen das Kindergeld
wirtschaftlich nicht in dieser Höhe zugute gekommen ist, weil die Anrechnung
des Kindergelds auf ihre Unterhaltsverpflichtung nach § 1612b Abs. 5 BGB ganz
oder teilweise unterblieben ist. 70 v.H. der Barunterhaltspflichtigen seien
von der Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB betroffen; damit werde der Mehrheit
die Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge zumindest teilweise wieder
genommen.

Nach Auffassung des BFH ist dieses Ergebnis unvereinbar mit dem
verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass der Staat das Einkommen insoweit
steuerfrei belassen muss, als es für den existenznotwendigen Bedarf des
Steuerpflichtigen und seiner Familie benötigt wird.