BSG: Beim Tod eines Rentners muss die Bank überzahlte Rente an Rentenversicherungsträger zurücküberweisen

Auf die Revision der Klägerin (Deutsche Rentenversicherung Bund DRVB) wurde das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Es fehlten ausreichende tatsächliche Feststellungen des LSG, sodass dem BSG eine abschließende Entscheidung darüber nicht möglich war, ob die beklagte Bank verpflichtet ist, der Klägerin den Wert des nach dem Tode des Rentenbeziehers auf dessen Konto bei der Beklagten überwiesenen Rentenbetrages zu erstatten. Das LSG wird bei seiner erneuten Entscheidung Folgendes zu Grunde zu legen haben (§ 170 Abs 5 SGG):

a) Der klagende Hoheitsträger hat sein Erstattungsbegehren, dessen Erfüllung die Beklagte abgelehnt hatte, zulässig als (echte) Leistungsklage bei Gericht erhoben. Er war nämlich nicht ermächtigt, seinen speziellen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus § 118 Abs 3 SGB VI durch einseitige Entscheidung (Verwaltungsakt) gegen die beklagte Bank festzustellen und ein vollstreckbares Zahlungsgebot zu erlassen. Die in § 118 Abs 4 SGB VI eingefügte Ermächtigung für die Rentenversicherungsträger, ihre Erstattungsansprüche gegen Dritte durch Verwaltungsakt geltend zu machen, gilt nicht für die in § 118 Abs 3 SGB VI geregelten Erstattungsansprüche auf “Rücküberweisung” gegen die Geldinstitute, denen der Rentenbetrag vom Rentenversicherungsträger überwiesen worden war.

b) Anspruchsgrundlage ist § 118 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB VI. Dieser öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch war entstanden sowie wirksam durch den Postrentendienst als Beauftragten der Klägerin geltend gemacht worden.

Entstehungsvoraussetzungen für den Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem Geldinstitut sind nur, dass die Vermögensverschiebung durch eine Überweisung eines Geldbetrages des Rentenversicherungsträgers oder seiner überweisenden Stelle an das Geldinstitut zur Gutschreibung auf das angegebene Konto des Überweisungsadressaten zwecks Erfüllung eines Rentenanspruchs bewirkt wurde, dieser Zweck aber nicht mehr erreicht werden konnte, weil der Adressat vor Beginn des Bezugszeitraumes der Rente gestorben war. Hierfür hat der Rentenversicherungsträger dem Geldinstitut den Zeitpunkt der Überweisung der Geldleistung, das Konto, den Namen des Zahlungsadressaten, dessen Todeszeitpunkt, die Art der Geldleistung, deren Höhe und deren Bezugszeitraum darzulegen und das ernstliche Verlangen auszusprechen, den Wert der Geldleistung zu erstatten (zurückzuüberweisen), weil die Vermögensverschiebung wegen Todes des Berechtigten zu Unrecht erfolgt sei. Nach den insoweit ausreichenden Feststellungen des LSG war der Rückzahlungsanspruch in Höhe von 959,79 Euro entstanden und von der Klägerin wirksam geltend gemacht worden.

c) Der Rücküberweisungsanspruch geht nur unter, wenn die Bank im Rechtssinne “entreichert” ist. Ob der Entreicherungseinwand des § 118 Abs 3 Satz 3 und 4 SGB VI zu Gunsten der Beklagten eingreift, konnte nach den Feststellungen des LSG noch nicht abschließend beurteilt werden. Der Einwand besteht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann; in keinem Fall darf aber das Geldinstitut den überwiesenen Betrag zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden (Satz 4 aaO). Diese Voraussetzungen liegen nur vor, soweit der Wert der Geldleistung aus der unmittelbaren Verfügungsmacht und aus der vertraglich begründeten Verwertungsbefugnis des Geldinstituts endgültig ausgeschieden ist, weil ein anderer als das Geldinstitut (oder kumulativ andere) durch diesem gegenüber rechtswirksame Verfügungen den Kontostand unter den Wert gesenkt haben, und wenn das Geldinstitut eigene Forderungen gegen den (jeweiligen) Kontoinhaber nicht befriedigt hat. Diese “Entlastungsvoraussetzungen”, also die Voraussetzungen des Entreicherungseinwands hat das Geldinstitut darzulegen.

aa) Zwar hatte die beklagte Bank den Wert der überwiesenen Geldleistung durch eine Gutschrift auf das in der Überweisung genannte Konto vollständig in das Vermögen des (jeweiligen) Kontoinhabers und in dessen Verfügungsmacht übertragen, also die sog Abrufpräsenz herbeigeführt. Die speziellen öffentlich-rechtlichen Regelungen in § 118 Abs 3 SGB VI überlagern aber als Sonderrecht des Staates die privatrechtlichen, bankrechtlichen Beziehungen zwischen dem Geldinstitut und dem jeweiligen Kontoinhaber auf der Grundlage des in Abs 3 Satz 1 aaO statuierten Vorbehalts verdrängend; sie ermächtigen zB das Geldinstitut nach Herbeiführung der Abrufpräsenz, das Rücküberweisungsverlangen des Rentenversicherungsträgers entgegen dem Privatrecht durch Zugriff auf ein Guthaben des Kontoinhabers zu erfüllen. Das Gesetz gibt keinen Anhalt dafür, die Bank und ihre Girokunden seien bei Überweisung der Rente auf ein im Soll befindliches Girokonto besser zu stellen.

bb) Hat die Bank eigene Forderungen gegen den Kontoinhaber “aus dem Wert der Rente” befriedigt, ist der Entreicherungseinwand insoweit niemals gegeben.

Soweit das LSG und die beklagte Bank unter Hinweis auf eine Entscheidung des BSG zum sozialen Entschädigungsrecht davon ausgehen, dass der dort nur entsprechend anwendbare § 118 Abs 3 und 4 SGB VI einen typisierten Interessenausgleich zwischen Leistungsträger und Bankinstitut regelten, demzufolge die Bank aus einer ungerechtfertigten Geldüberweisung keinen wirtschaftlichen Vorteil ziehen, jedoch auch keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden solle, wenn sie bis zum Eingang der Rückforderung noch die Verfügungen berechtigter Personen bis zur Höhe der eingegangenen Geldleistungen ausführe, beachten sie nicht, dass dieses Ziel auch bei der direkten Anwendung des § 118 Abs 3 SGB VI maßgeblich, aber nicht allein entscheidend ist. Ein Vorteil der Bank zu Lasten des Rentenversicherungsträgers oder ihrer Privatkunden oder dieser zu Lasten der Bank wird aber im direkten Anwendungsbereich der Norm gerade nur dadurch vermieden, dass die privatrechtlichen Beziehungen der Bank zu ihren Kunden bezüglich des Wertes der “überzahlten” Rente nach öffentlichem Recht soweit wie möglich so behandelt werden, als sei es zur Überzahlung nicht gekommen. Dies bewirkt der Vorbehalt des § 118 Abs 3 Satz 1 SGB VI. Deswegen muss auch die Rangordnung der Zahlungspflichten aus § 118 Abs 3 und 4 SGB VI streng beachtet werden. Es sollte gerade keine Art der Schadensteilung zwischen dem Geldinstitut auf der einen Seite und den Empfängern bzw Verfügenden von Geldleistungen auf der anderen Seite angeordnet werden, aber auch gerade keine vermeidbare Beeinträchtigung der Durchsetzung des Rücküberweisungsanspruchs des Rentenversicherungsträgers. Deswegen hat dessen Rücküberweisungsanspruch gegen das Geldinstitut gegenüber dem Erstattungsanspruch gegen Dritte mit Ausschlusswirkung Vorrang. Der Anspruch gegen Dritte kommt also erst dann in Betracht, wenn der Entreicherungseinwand zu Gunsten des Geldinstituts den Rücküberweisungsanspruch des Rentenversicherungsträgers vernichtet hat. Er greift aber auch bei einer Gutschrift der “überzahlten Rente” nur durch, soweit das Konto bei Eingang der Rückforderung kein zur vollen Erstattung ausreichendes Guthaben aufweist und dieser Umstand nicht darauf beruht, dass die Bank mit eigenen Forderungen gegen den Kontoinhaber verrechnet hat.

cc) Eine solche die Bank befriedigende Verrechnung liegt aber vor, soweit eine Gutschrift auf ein im Soll stehendes Konto erfolgt und das Geldinstitut durch die Verrechnung (Skontration) eine Vermögensübertragung zu ihren Gunsten vornimmt. Dies ist unabhängig von der Rechtsform und der bankvertraglichen Rechtsnatur der Verrechnung, da das Geldinstitut damit jedenfalls eine eigene (Darlehens-)Forderung gegen den Kontoinhaber befriedigt. Unerheblich ist, ob die endgültige schuldumschaffende Wirkung der Saldierung privatrechtlich erst zum Abschluss am Ende eines jeden Quartals erfolgt; denn im Bankkontokorrent wird mit jedem Buchungsvorgang verrechnet; auch dann, wenn keine Novationswirkung erzielt wird, löst jede Verrechnung Hemmungswirkungen aus, sodass bei wirtschaftlicher Betrachtung der auf dem Konto befindliche Sollbetrag vermindert wird und das Konto derart einen entsprechenden Vermögenszuwachs erfährt. Zwar verlieren die einzelnen Gutschriften und Belastungen des Kontos ihre rechtliche Selbständigkeit privatrechtlich erst durch die sog Saldoanerkennung nach der Rechnungsperiode am Ende des Quartals, weil der Saldo im Wege des abstrakten Schuldanerkenntnisses als neue Forderung stattdessen festgestellt wird. Jedoch wird bereits zum Zeitpunkt der Gutschrift der Saldo rechnerisch dargestellt und am Ende des Quartals saldiert, sofern keine Reklamationen erfolgen. Die tägliche Verrechnung der Ein- und Auszahlungen auf einem Konto bewirkt daher bei einer Gutschrift auf ein debitorisches Konto nicht nur, dass die Abrufpräsenz eintritt und das Geldinstitut keinen direkten Zugriff auf den isolierten Wert der Geldleistung mehr hat, sondern gerade auch die Befriedigung einer eigenen Forderung des Geldinstituts gegen den Kontoinhaber.

Gerade dies aber verbietet § 118 Abs 3 Satz 1 und Satz 4 SGB VI durch den öffentlich-rechtlichen Vorbehalt mit dem öffentlich-rechtlichen Befriedigungsverbot, sodass diese privatrechtlich zulässige Form der Forderungstilgung im Verhältnis zwischen der Bank und dem jeweiligen Kontoinhaber im öffentlich-rechtlichen Verhältnis zum Rentenversicherungsträger entsprechend § 134 BGB unwirksam ist. Da die Bank zivilrechtlich eigene Forderungen gegen den Kontoinhaber befriedigt hat, ist sie nicht entreichert. Sie hat den “Wert der Rente” erlangt und diesen an den Rentenversicherungsträger herauszugeben, wird aber zugleich in ihrem privatrechtlichen Verhältnis zum Kontoinhaber so gestellt, als sei es zu dieser Verrechnung nicht gekommen.

d) Soweit das LSG auf die nach der Rentengutschrift erfolgten Verfügungen Berechtigter abgestellt hat, durch welche das Geldinstitut von seiner Erstattungspflicht frei geworden sei, verkennt es schon die Rechtsnatur eines Girovertrages, der ein Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 Abs 1 BGB mit Dienstvertragscharakter mit dem Ziel der Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ist. Während bei einem ein Guthaben aufweisenden Girokonto eine vom Girovertragsverhältnis selbst zu trennende unregelmäßige Verwahrung gemäß § 700 BGB vorliegt, ist die Einräumung eines Kontokorrentkredits und dessen Inanspruchnahme die Gewährung eines Bankdarlehens mit dem Inhalt, dass der Berechtigte das Geld innerhalb des Kreditrahmens insbesondere durch Auszahlung oder Überweisung abrufen kann. Hauptpflicht eines Darlehensnehmers ist die Zahlung eines geschuldeten Zinses und die Rückerstattung des zur Verfügung gestellten Darlehens bei Fälligkeit. Folglich stellt die Buchung der unter Vorbehalt gezahlten Geldleistung des Rentenversicherungsträgers auf das Konto mit gleichzeitiger Verringerung der dort befindlichen Debets bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Verminderung der Schulden des Kontoinhabers gegenüber dem Geldinstitut dar. Zwar hat die Buchung im Unterschied zum späteren Saldoanerkenntnis nur deklaratorische Bedeutung, ihr kommt aber auf Grund ihrer Beweiswirkung durchaus wirtschaftlicher Wert zu, wie der BGH geklärt hat. Die Verrechnung, die das Geldinstitut gegenüber dem Kontoinhaber bei Gutschrift auf das im Soll befindliche Konto vornimmt, ist also eine öffentlich-rechtlich verbotene Bereicherung, die im Verhältnis des Geldinstituts sowohl zum Rentenversicherungsträger als auch zum Kontoinhaber, also relativ, unwirksam ist. Das Geldinstitut muss insoweit den Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers erfüllen, behält aber in entsprechendem Umfang seine Darlehensforderung gegenüber dem jeweiligen Kontoinhaber.

Neben der Sache liegt auch der Hinweis des LSG, das Geldinstitut habe dem Rentner den Überziehungskredit im Regelfall deswegen eingeräumt, weil es jedenfalls in der Masse der Fälle auf den Eingang der Rentenzahlung vertraut habe; nur deswegen habe es den privatrechtlich rechtmäßigen Verfügungen Dritter im Rahmen des Überziehungskredites entsprochen; dies müsse für das Verständnis von § 118 Abs 3 Satz 3 und 4 SGB VI entscheidend sein. Wie schon der öffentlich-rechtliche Vorbehalt des § 118 Abs 3 Satz 1 SGB VI zeigt, ist ausschlaggebend für die Auslegung des § 118 Abs 3 und 4 SGB VI das Verhältnis zwischen dem Versicherungsträger als treuhänderischem Sachwalter der Mittel, die ihm seine Beitragszahler zur Finanzierung der rentenversicherungsrechtlichen Geldleistung zur Verfügung gestellt haben, und den Adressaten seines Erstattungsanspruchs. Schon die privatrechtliche Gutschrift steht unter dem öffentlich-rechtlichen Vorbehalt, dass der Inhaber des Anspruchs auf Rente bei Beginn des Bezugszeitraums lebt.

Die Befürchtung des LSG, bei einer anderen als seiner eigenen Auslegung des § 118 Abs 3 und 4 SGB VI würden die Geldinstitute den Rentnern künftig keine Girokonten mehr einräumen, verkennt ua den außerordentlichen wirtschaftlichen Anreiz, den die regelmäßigen Einzahlungen der öffentlichen Sozialversicherungsträger monatlich in Milliardenhöhe für die Geldinstitute bieten, die damit jedenfalls für die Zeit bis zur Gutschrift in erheblichem Umfang gewinnbringend arbeiten können (vgl BSG SozR 3 2600 § 118 Nr 8 S 52 ff; Nichtannahmebeschluss des BVerfG, Erster Senat, 1. Kammer vom 18.4.2002 1 BvR 516/02). Das LSG wird die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, bei denen die Beteiligten mitzuwirken haben (§ 103 SGG), treffen und sich dabei an den “Prüfungskatalogen” des BSG (BSG SozR 3 2600 § 118 Nr 3 S 22, 26; SozR 3 2600 § 118 Nr 10 S 71) zu orientieren haben.

SG Hamburg – S 11 RA 524/03 –

LSG Hamburg – L 3 RA 48/04 – – B 4 RA 28/05 R –