Der Betriebsrat kann die Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung durch einen
Boten oder Vertreter des Arbeitgebers nicht entsprechend § 174 Satz 1 BGB zurückweisen,
wenn der Anhörung keine Vollmachtsurkunde beigefügt ist.
Das beklagte Luftfahrtunternehmen, eine Aktiengesellschaft griechischen Rechts mit
Sitz in Griechenland, beschäftigte in der Bundesrepublik Deutschland an fünf Standorten
69 Arbeitnehmer im Bodenbetrieb. Die Klägerin arbeitete als „Sales Representative“
am Standort Stuttgart. Die Fluggesellschaft wurde im Oktober 2009 der Sonderliquidation
nach griechischem Recht unterstellt. Als Sonderliquidatorin wurde eine
andere Aktiengesellschaft griechischen Rechts eingesetzt. Die Sonderliquidatorin
entschloss sich, die deutschen Standorte zu schließen und alle Arbeitsverhältnisse
zu kündigen. Über Rechtsanwalt G hörte sie den Betriebsrat des Standorts Stuttgart
mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 zu der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses
der Klägerin an. Dem Schreiben war keine Vollmachtsurkunde beigefügt.
Der Betriebsrat wies die Anhörung deshalb unter dem 21. Dezember 2009 zurück.
Rechtsanwalt G kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom
29. Dezember 2009 zum 31. März 2010. Die Klägerin hat mit der Kündigungsschutzklage
sowohl ihre Arbeitgeberin als auch die Sonderliquidatorin unbedingt verklagt.
Sie hält die Kündigung nach § 102 Abs. 1 BetrVG für unwirksam, weil der Anhörung
des Betriebsrats kein Vollmachtsnachweis des handelnden Rechtsanwalts beigefügt
gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.
Die Revision der Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts
Erfolg. Die Klage richtete sich nach gebotener Auslegung von vornherein
allein gegen die Arbeitgeberin der Klägerin, weil die Sonderliquidatorin nach
griechischem Recht nur Stellvertreterin war. Die Kündigung ist wirksam. Der Betriebsrat
konnte seine Anhörung nicht analog § 174 Satz 1 BGB wegen fehlenden
Vollmachtsnachweises zurückweisen. Der Zweck des Anhörungserfordernisses steht
einer entsprechenden Anwendung von § 174 BGB entgegen. Das Verfahren nach
§ 102 BetrVG ist nicht an Formvorschriften gebunden. Eine mündliche oder telefonische
Anhörung ist möglich. Auch in einem solchen Fall beginnt die Wochenfrist des
§ 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu laufen. Hat der Betriebsrat Zweifel an der Boten- oder
Vertreterstellung der ihm gegenüber bei der Anhörung auftretenden Person, kann er
sich nach dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit unmittelbar gegenüber
dem Arbeitgeber äußern.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 6 AZR 348/11 – ua.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. März 2011
– 7 Sa 7/11 –