Der Spruch einer Einigungsstelle zur Einführung einer Videoüberwachung in einem Berliner
Briefverteilzentrum der Deutschen Post AG ist unwirksam. Dies hat der Erste Senat des
Bundesarbeitsgerichts entschieden. In dem Briefzentrum sind in einer großen Halle in mehreren
Schichten insgesamt etwa 650 Arbeitnehmer beschäftigt. Täglich werden ca. 2,5 – 3
Mio Briefsendungen umgeschlagen. Die Briefe werden weit überwiegend automatisch, zu
einem kleinen Teil von Hand sortiert. Wie auch im Bereich anderer Zentren kommt es bei
den über das Berliner Briefzentrum laufenden Sendungen zu Verlusten. Dabei ist nicht näher
festgestellt, ob und in welchem Umfang diese im Briefzentrum selbst, auf dem Weg dorthin
oder auf dem weiteren Weg zum Empfänger eintreten. Zur Reduzierung der Verluste plante
die Arbeitgeberin die Einführung einer Videoüberwachung. Da der Betriebsrat seine Zustimmung
verweigerte, rief sie die Einigungsstelle an. Deren Spruch sieht die dauerhafte Einrichtung
einer Videoüberwachung durch in der Halle sichtbar angebrachte Kameras vor. Die
Videoanlage soll verdachtsunabhängig wöchentlich bis zu 50 Stunden eingesetzt werden
können. Für die Arbeitnehmer ist nicht erkennbar, wann die Anlage in Betrieb ist. Die Aufzeichnungen
müssen in der Regel spätestens nach acht Wochen gelöscht werden.
Der Betriebsrat hat den Einigungsstellenspruch gerichtlich angegriffen. Während die Vorinstanzen
seinen Antrag abgewiesen haben, hatte er beim Bundesarbeitsgericht Erfolg. Einerseits
hat die Arbeitgeberin die Pflicht, für die Sicherheit des Briefverkehrs und des grundrechtlich
geschützten Postgeheimnisses zu sorgen. Andererseits wird durch die Videoüberwachung
erheblich in das ebenfalls grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer
eingegriffen. Keiner dieser beiden Rechtspositionen gebührt absoluter Vorrang.
Vielmehr ist eine auf die Umstände des jeweiligen Falles bezogene Abwägung erforderlich.
Danach ist die dauerhafte, verdachtsunabhängige Videoüberwachung der Belegschaft des
Berliner Briefzentrums unter den vorliegenden Umständen unverhältnismäßig.
BAG Beschluss vom 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 –
Landesarbeitsgericht Berlin Beschluss vom 5. März 2003 – 10 TaBV 2089/02 –