BAG: Verzicht einer angestellten Lehrerin auf Erstattung ihrer anlässlich einer mehrtägigen Schulfahrt entstandenen Reisekosten

Schulfahrten sind nach den Wanderrichtlinien des beklagten Landes Bestandteile der
Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schulen. Die Teilnahme an Schulfahrten gehört
zu den dienstlichen Aufgaben der Lehrkräfte, wobei die Leitung in der Regel der
Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer obliegt. Die Genehmigung der Schulfahrten
und der Dienstreisen für die teilnehmenden Lehrkräfte ist bei der Schulleitung auf
dem dafür vorgesehenen Formular zu beantragen.
Die Klägerin ist an einer Gesamtschule des beklagten Landes als Lehrerin beschäftigt.
Sie beantragte als Klassenlehrerin für ihre Klasse die Genehmigung einer mehrtägigen
Studienfahrt nach Berlin. In dem in der Gesamtschule hierfür verwandten
Formular heißt es ua.: „Die … zu zahlende(n) Reisekostenvergütung(en) ist/sind
durch die für unsere Schule vorgesehenen Haushaltsmittel nicht mehr gedeckt; da
die Veranstaltung trotzdem durchgeführt werden soll, verzichte(n) ich/wir … auf die
Zahlung der Reisekostenvergütung.“ Anlässlich der genehmigten Studienfahrt entstanden
der Klägerin Reisekosten in Höhe von 234,50 Euro, wovon ihr 28,45 Euro
erstattet wurden. Die Erstattung der übrigen Reisekosten lehnte das beklagte Land
unter Hinweis auf die Verzichtserklärung der Klägerin im Antragsformular ab.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben
und der Klägerin den Differenzbetrag in Höhe von 206,05 Euro zugesprochen.

Die Revision des beklagten Landes hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts
keinen Erfolg. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dem beklagten
Land sei es unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung wegen unredlichen
Erwerbs der eigenen Rechtsstellung verwehrt, sich auf die von ihm vorformulierte
Verzichtserklärung der Klägerin zu berufen, ist revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden. Zwar finden nach § 23 Abs. 4 des Tarifvertrags für den öffentlichen
Dienst der Länder für die Erstattung von Reisekosten die für die Beamtinnen und
Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechende Anwendung.
Das Gesetz über die Reisekostenvergütung der Beamtinnen und Beamten des
beklagten Landes sieht insoweit vor, dass Dienstreisende vor Antritt einer Dienstreise
schriftlich erklären können, keinen Antrag auf Reisekostenvergütung zu stellen.
Das beklagte Land verstößt jedoch mit der Praxis, Schulfahrten grundsätzlich nur zu
genehmigen, wenn die teilnehmenden Lehrkräfte auf die Erstattung ihrer Reisekosten
verzichten, grob gegen seine Fürsorgepflicht. Mit der generellen Bindung der
Genehmigung von Schulfahrten an den Verzicht auf die Erstattung von Reisekosten
stellt das beklagte Land die bei ihm angestellten Lehrkräfte unzulässig vor die Wahl,
ihr Interesse an einer Reisekostenerstattung zurückzustellen oder dafür verantwortlich
zu sein, dass Schulfahrten, die Bestandteil der Bildungs- und Erziehungsarbeit
sind, nicht stattfinden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Oktober 2012 – 9 AZR 183/11 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 3. Februar 2011 – 11 Sa
1852/10 –