BAG: Verzicht auf Lohnansprüche, um einen Betriebsübergang zu ermöglichen

Ein Erlassvertrag, mit dem die Parteien eines Arbeitsverhältnisses den Verzicht auf rückständige
Vergütung für den Fall vereinbaren, dass es zu einem Übergang des Betriebs auf
einen Dritten kommt, verstößt gegen zwingendes Gesetzesrecht und ist unwirksam.
Die Klägerin arbeitete seit 1998 für den Beklagten als Erzieherin in einer Kindertagesstätte.
Der Beklagte erfüllte die vertraglichen Ansprüche der Klägerin auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld
2003 nur noch teilweise, 2004 überhaupt nicht mehr. Im Frühjahr 2005 informierte der
Beklagte die Klägerin und die anderen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Arbeitnehmer
darüber, dass dieser Bereich zum 1. April 2005 von einem anderen Träger übernommen
werde und die Arbeitsverhältnisse auf diesen übergehen sollten. Die Übernahme
werde aber nur erfolgen, wenn die Mitarbeiter auf alle offenen Urlaubs- und Weihnachtsgeldansprüche
verzichteten, andernfalls die Insolvenz des Beklagten und damit der Verlust
des Arbeitsplatzes drohe. Daraufhin verzichtete die Klägerin schriftlich mit einem Nachtrag
zum Arbeitsvertrag gegenüber dem Beklagten auf rückständiges Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Der Verzicht sollte unwirksam sein, wenn der Beschäftigungsbereich nicht bis zum Jahresende
2005 auf einen bestimmten anderen Träger der Sozialarbeit übergegangen sein
sollte. Der Betriebsübergang fand wie vorgesehen zum 1. April 2005 statt.
Mit der Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten rückständiges Urlaubs- und Weihnachtsgeld
in Höhe von mehr als 1.700,00 Euro brutto, auf das sie mit dem Nachtrag zum
Arbeitsvertrag verzichtet hatte. Diesen Verzicht hat sie für unwirksam gehalten. Die Klage
war in allen drei Instanzen erfolgreich. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat entschieden,
dass der zwischen den Parteien geschlossene Erlassvertrag nichtig ist, weil er
gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB). Bei einem Betriebsübergang schreibt
§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zwingend vor, dass der Betriebserwerber in die Rechte und
Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt.
Diese Vorschrift darf nicht abbedungen oder umgangen werden. Aus der Bedingung des
Erlassvertrages ergibt sich, dass für ihn der geplante Betriebsübergang Anlass und entscheidender
Grund war. Damit stellt er eine unzulässige Umgehung des zwingenden Gesetzesrechtes
dar.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 2009 – 8 AZR 722/07 –

Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 27. März 2007 – 7 Sa 308/06 –