BAG: Tarifvertragliche Öffnung für betriebliche Bündnisse für Arbeit

Wenn Tarifvertragsparteien in einem Flächentarifvertrag vereinbaren, dass im Falle der begründeten
Notwendigkeit abweichender betrieblicher Regelungen zu bestimmten, im Tarifvertrag
aufgeführten Zwecken einer entsprechenden Betriebsvereinbarung über abweichende
Arbeitsbedingungen von den Tarifvertragsparteien zugestimmt werden „soll“, und wenn
die möglichen Abweichungen im Tarifvertrag selbst eingegrenzt sind, begründet dies bei
Einhaltung dieser Kriterien eine tarifvertragliche Pflicht der Tarifvertragsparteien zur Erteilung
der Zustimmung, wenn nicht gewichtige konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall einer solchen
Zustimmung entgegenstehen. Die Einhaltung dieser Pflicht kann von dem anderen Tarifvertragspartner
geltend gemacht werden.
In einem regionalen Rahmentarifvertrag hatten die Tarifvertragsparteien ua. der Beton- und
Fertigteilindustrie eine Öffnungsklausel für betriebliche Regelungen vereinbart. Danach sollte
es ua. möglich sein, mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien durch eine Betriebsvereinbarung
eine Veränderung der ansonsten festgelegten tariflichen Leistungen um insgesamt bis
zu einem Bruttomonatsentgelt herbeizuführen. Für den Fall, dass dabei die hierzu weiter
ergangenen tariflichen Bestimmungen eingehalten werden (ua. Begründung der Notwendigkeit
anhand nachvollziehbarer Kriterien, beschäftigungssichernder und wettbewerbsverbessernder
Zweck der Veränderung), bestimmte der Tarifvertrag, dass die Zustimmung erteilt
werden „soll“. Im zu entscheidenden Fall hatte die Gewerkschaft einer solchen abweichenden
Betriebsvereinbarung ihre Zustimmung versagt, und sich darauf berufen, dass ihr insoweit
ein großer Ermessensspielraum zur Verfügung stehe, der von den Arbeitsgerichten
nicht überprüft werden könne. Der Arbeitgeberverband hatte die Erteilung der Zustimmung
vor den Gerichten für Arbeitssachen eingeklagt.
Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dem Arbeitgeberverband Recht gegeben
und die Gewerkschaft verurteilt, der abweichenden Betriebsvereinbarung ihre Zustimmung
zu erteilen. Die „Soll“-Bestimmung führt zu einer Zustimmungspflicht, wenn die Kriterien für
die Betriebsvereinbarung eingehalten sind und der die Zustimmung verweigernden Tarifvertragspartei
keine gewichtigen Gründe für ihre Weigerung zur Verfügung stehen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Oktober 2010 – 4 AZR 105/09 –
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 6. März 2008 – 9 Sa 798/07 –