Ein Arbeitnehmer, der an einer Streikkundgebung teilnimmt, nachdem er sich im Rahmen
einer betrieblichen Gleitzeitregelung zulässigerweise aus dem Zeiterfassungssystem abgemeldet
hat, streikt im Rechtssinne nicht. Streik ist die Vorenthaltung der während der Dauer
der Streikteilnahme geschuldeten Arbeitsleistung. Der Arbeitnehmer, der entsprechend einer
betrieblichen Regelung die Lage seiner täglichen Arbeitszeit autonom bestimmen kann, führt
mit dem Abmelden aus dem Zeiterfassungssystem das Ende seiner Arbeitszeit herbei. Danach
befindet er sich in Freizeit. Während der Freizeit kann der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber
die Arbeitsleistung nicht vorenthalten.
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat – anders als das Landesarbeitsgericht – der
Klage des Beschäftigten eines Unternehmens der norddeutschen Metallindustrie stattgegeben,
mit der dieser die Zahlung seiner Vergütung für eine Arbeitsstunde verlangte. Die Beklagte
hatte die vom jeweiligen Stand des Gleitzeitkontos unabhängige monatliche Vergütung
des Klägers um den Lohn für die Zeit gekürzt, während derer er an einem Warnstreik
der IG Metall teilgenommen hatte. Nach der im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung
konnten die Arbeitnehmer die Lage ihrer Arbeitszeit innerhalb der betrieblichen Öffnungszeit
selbst bestimmen. Davon hatte der Kläger Gebrauch gemacht und „ausgestempelt„, um nach
Ende der Kundgebung erneut „einzustempeln„ und seine Arbeit wieder aufzunehmen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Juli 2005 – 1 AZR 133/04 –
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 11. Dezember 2003 – 1 Sa 361/03 –
In einem weiteren Verfahren hatte der Senat über den Antrag des Betriebsrats desselben
Betriebs zu entscheiden, mit dem dieser festgestellt wissen wollte, dass der Arbeitgeber gegen
die Betriebsvereinbarung verstößt, wenn er die Vergütung von Arbeitnehmern kürzt, die
nach ihrem Ausstempeln an einer Streikkundgebung teilnehmen. Der Antrag hatte keinen
Erfolg. Die Betriebsvereinbarung regelt nicht die Rechtsfolgen einer solchen Teilnahme.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 26. Juli 2005 – 1 ABR 16/04 –
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15. Januar 2004 – 4 Ta BV 10/03 –