BAG: Politische Betätigung des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat nach § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG ebenso wie der
Arbeitgeber jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen. Davon wird
nicht jede allgemeinpolitische Äußerung erfasst. Verstößt der Betriebsrat gegen das
parteipolitische Neutralitätsgebot, begründet dies keinen Unterlassungsanspruch des
Arbeitgebers. Die Rechte des Arbeitgebers bei groben Verstößen des Betriebsrats
gegen seine gesetzlichen Pflichten ergeben sich aus § 23 Abs. 1 BetrVG. Danach
kann der Arbeitgeber in einem solchen Fall beim Arbeitsgericht die Auflösung des
Betriebsrats beantragen. Ein Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat ist dagegen
gesetzlich nicht vorgesehen. Er wäre wegen der Vermögenslosigkeit des Betriebsrats
auch nicht vollstreckbar. Streitigkeiten über die Zulässigkeit einer bestimmten
Betätigung des Betriebsrats kann der Arbeitgeber im Wege eines Feststellungsantrags
klären lassen. Eine entsprechende gerichtliche Feststellung ist im Falle einer
späteren Pflichtverletzung des Betriebsrats von entscheidender Bedeutung für einen
Auflösungsantrag des Arbeitgebers. Voraussetzung für einen Feststellungsantrag ist
allerdings, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der begehrten gerichtlichen Entscheidung
noch ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Streitfrage hat.

Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat deshalb die Anträge eines Arbeitgebers
abgewiesen, die darauf gerichtet waren, dem Betriebsrat bestimmte politische
Äußerungen zu untersagen. Der Betriebsrat hatte im Jahr 2003 anlässlich des Irak-
Kriegs ein mit „Nein zum Krieg“ überschriebenes Schriftstück im Betrieb ausgehängt.
Im Jahr 2007 hatte er die Mitarbeiter des Betriebs zur Beteiligung an einem Volksentscheid
in Hamburg aufgerufen. Auch die hilfsweise gestellten Feststellungsanträge
des Arbeitgebers hatten keinen Erfolg. An der begehrten Feststellung, dass der
Betriebsrat nicht berechtigt sei, im Betrieb Äußerungen zum Irak-Krieg abzugeben,
hat der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse mehr. Der Arbeitgeber hat nicht behauptet,
dass zu dem seit Jahren beendeten Irak-Krieg erneute Äußerungen des Betriebsrats
zu besorgen seien. Der Antrag des Arbeitgebers, mit dem festgestellt werden
sollte, dass der Betriebsrat nicht berechtigt sei, Mitarbeiter zur Teilnahme an
politischen Wahlen oder Abstimmungen aufzufordern, ist unbegründet. Eine Aufforderung
zur Wahlbeteiligung stellt keine parteipolitische Betätigung dar.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17. März 2010 – 7 ABR 95/08 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30. September
2008 – 2 TaBV 25/08 –