BAG: Pflicht des Arbeitgebers zur Wahrung der Interessen seiner Arbeitnehmer

Die Pflicht jedes Vertragspartners, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des
anderen Teils Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB), kann zu einer Verpflichtung
des Arbeitgebers führen, bei der Wahrung von Ansprüchen seiner Arbeitnehmer mitzuwirken,
die diese gegenüber Dritten, zB dem Versicherungsträger, erwerben
können. Eine solche Pflicht hat aber zur Voraussetzung, dass die Entstehung von
Rechtspositionen der Arbeitnehmer überhaupt in Betracht zu ziehen ist.
Der Kläger war ursprünglich in der DDR im Bereich der „Carbochemie“ beschäftigt,
die wegen extremer gesundheitlicher Belastungen seit den 70er Jahren einer bergmännischen
Untertagetätigkeit gleichgestellt war. Durch Ministerratsbeschluss der
DDR vom 8. Februar 1990 wurde wegen der Umweltbelastung diese Braunkohleveredelung
eingestellt; im Frühjahr 1990 wurden erste Entlassungen eingeleitet. Der
Kläger arbeitete in anderen Bereichen und unterschiedlichen Funktionen noch bis
September 2000 im Betrieb weiter, danach war er arbeitslos. Nach Vollendung
seines 60. Lebensjahres bezieht er seit Mai 2003 Altersrente mit einem Rentenabschlag
von 18 %. Er verlangt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe des
Rentenabschlags, weil diese es als seine Arbeitgeberin versäumt habe, seine rentenrechtliche
Gleichstellung mit Bergleuten zu verfolgen.
Die Klage blieb in allen drei Instanzen erfolglos. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts
hat eine Pflichtverletzung der Arbeitgeberin verneint, weil der Kläger
die gesetzlichen Voraussetzungen für keines der Verfahren erfüllt, die zu keinen oder
geringeren Rentenabschlägen hätten führen können. Nach dem mit der deutschen
Einheit geschaffenen Rentenüberleitungsgesetz wäre eine Bergmannsrente nur in
Betracht gekommen, wenn die Altersrente des Klägers bis zum 31. Dezember 1996
begonnen hätte. Die europäischen Verträge zu Kohle und Stahl (Montanunion-
Verträge, MUV) sehen Beihilfen grundsätzlich nur vor, wenn geänderte Absatzbedingungen
die Produktionseinschränkungen ausgelöst haben. Der Ministerrat der
DDR verfügte jedoch die Produktionseinstellung aus Umweltgründen und zu einem
Zeitpunkt, in dem die europäischen Verträge im Gebiet der DDR noch gar nicht
galten. Folgerichtig sind die zu dem MUV ergangenen Richtlinien auch erst auf Maßnahmen
anzuwenden, die ab dem 1. Juli 1990, also dem Beginn der Wirtschafts- und
Währungsunion Deutschlands, begonnen wurden. Pflichten nach diesen Richtlinien
kamen daher für die beklagte Arbeitgeberin von vorneherein nicht in Betracht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. September 2009 – 8 AZR 444/08 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. November 2007
– 22 Sa 1127/07 –