BAG: § 1 BetrAVG aF mit höherrangigem Recht vereinbar

Nach § 1b BetrAVG nF wird die Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung
unverfallbar, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles, aber nach
Vollendung des 30. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt
mindestens fünf Jahre bestanden hat. Nach der bis zum 31.12.2000 gültigen Fassung des
§ 1 BetrAVG wurde die Anwartschaft erst dann unverfallbar, wenn der Arbeitnehmer bei
Ausscheiden 35 Jahre alt war und entweder die Versorgungszusage mindestens zehn Jahre
bestanden hat oder der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens zwölf Jahre zurück
liegt und die Versorgungszusage mindestens drei Jahre bestanden hat. Diese Regelung ist
mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin weder
gegen Art. 3 GG noch gegen das europarechtliche Lohngleichheitsgebot.

Die am 15.1.1947 geb. Klägerin war vom 1.4.1963 bis zum 28.5.1980 bei der beklagten Gewerkschaft
beschäftigt; sie schied mit dem Ende des Mutterschaftsurlaubs nach der Geburt
ihres Sohnes im Alter von 33 Jahren aus dem Arbeitsverhältnis aus. Ihr war eine Versorgung
nach Maßgabe der Richtlinien einer Unterstützungskasse zugesagt worden. Diese verwiesen
für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens auf die gesetzlichen Vorschriften. Die Klägerin
hatte argumentiert, es liege eine unzulässige mittelbare Frauendiskriminierung vor, weil mehr
Frauen als Männer wegen der Altersgrenze unverfallbare Anwartschaften nicht erwürben. Es
kann dahingestellt bleiben, ob das von der Klägerin vorgelegte Datenmaterial auf eine wesentliche
Benachteiligung der Frauen schließen lässt. Eine etwaige Ungleichbehandlung ist
durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des
Geschlechts zu tun haben. Ursprünglich waren Regelungen, wonach der Arbeitgeber nur
dann betriebliche Altersversorgung gewähren muss, wenn der Arbeitnehmer bis zum Versorgungsfall
dem Unternehmen angehört, unbeschränkt zulässig. Mit der Unverfallbarkeitsvorschrift
des § 1 Abs. 1 BetrAVG aF hat der Gesetzgeber die Vertragsfreiheit der Arbeitgeber
zugunsten des Sozialschutzes der Arbeitnehmer eingeschränkt. Er hat seinen Gestaltungsspielraum
nicht dadurch überschritten, dass er lange vor der Regelaltersgrenze erworbene
Anwartschaften für weniger schutzwürdig hielt als später erworbene.

BAG Urteil vom 18. Oktober 2005 – 3 AZR 506/04 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 20. April 2004 – 6 Sa 1279/03