BAG: Lohnwucher

Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter
Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen
eines Anderen für eine Leistung Vermögensvorteile gewähren lässt, die in einem
auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Diese Regelung gilt auch für Arbeitsverhältnisse.
Das Bundesarbeitsgericht hat ein auffälliges Missverhältnis zwischen
Leistung und Gegenleistung angenommen, wenn die Arbeitsvergütung nicht
einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise
gezahlten Tariflohnes erreicht. Maßgebend ist der Vergleich mit der tariflichen Stunden-
oder Monatsvergütung ohne Zulagen und Zuschläge, wobei auch die besonderen
Umstände des Falles zu berücksichtigen sind. Eine bei Abschluss des Arbeitsvertrags
danach nicht zu beanstandende Vergütung kann durch die Entwicklung des
Tariflohns wucherisch werden.
Die Klägerin war seit 1992 in dem Gartenbaubetrieb des Beklagten bei Hamburg als
ungelernte Hilfskraft beschäftigt. Sie erhielt einen Stundenlohn von 6,00 DM netto, ab
1. Januar 2002 3,25 Euro netto. Die Parteien sind nicht tarifgebunden. Mit ihrer Klage
verlangt die Klägerin für die Zeit von Dezember 1999 bis Mai 2002 unter dem Gesichtspunkt
des Lohnwuchers eine Nachzahlung von knapp 37.000,00 Euro auf der
Basis der tariflichen Vergütung. Der tarifliche Stundenlohn betrug insoweit zwischen
14,77 DM brutto und 7,84 Euro brutto. Die Klägerin arbeitete monatlich bis zu 352
Stunden.
Die Klage war in den Vorinstanzen unter Berücksichtigung der der Klägerin eingeräumten
Sachleistungen, insbesondere einer Wohngelegenheit auf dem Betriebsgelände,
erfolglos. Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts
aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung
an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Auch unter Einbeziehung der
Sachbezüge betrug die gezahlte Stundenvergütung im Klagezeitraum weniger als
2/3 der tariflichen Stundenvergütung. Die Gesamtumstände, insbesondere die gesetzwidrig
hohen und zudem unregelmäßigen Arbeitszeiten verdeutlichen die Ausbeutung
der Klägerin. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht weder die Üblichkeit
des Lohns in den Gartenbaubetrieben der Region noch die Kenntnis des Beklagten
vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen ausdrücklich festgestellt. Das ist in
der neuen Verhandlung nachzuholen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. April 2009 – 5 AZR 436/08 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 17. April 2008 – 1 Sa 10/07 –