Ein angestellter Pressefotograf einer Nachrichtenagentur ist zu einem angemessenen
Auftreten in der Öffentlichkeit verpflichtet. Er darf den Ruf und die Beziehungen
des Arbeitgebers zu Kunden und Informanten nicht durch unkorrektes
Verhalten beschädigen. Eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen
Verletzung dieser vertraglichen Pflicht kommt jedoch in der Regel nur in Betracht,
wenn dem Arbeitnehmer durch eine vergebliche Abmahnung deutlich gemacht
worden ist, welches Verhalten der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer konkret erwartet
und dass bei erneuter Pflichtverletzung der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet
ist (sog. Warnfunktion).
Der Kläger in dem heute vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall ist bei der
Beklagten seit 1965 als Pressefotograf beschäftigt. In den Jahren 2004 und 2005
stritten die Parteien über zwei Abmahnungen, deren Unwirksamkeit rechtskräftig
festgestellt wurde. Im November 2005 suchte der Kläger als Pressefotograf den Ort
eines Eisenbahnunglücks auf. Er gab sich auf Fragen der Polizei zwar als Pressefotograf
zu erkennen, zeigte aber seinen Presseausweis nicht vor. Da der Kläger den
Unfallort zunächst nicht aufforderungsgemäß verließ, sprach die Polizei einen Platzverweis
aus, dem der Kläger Folge leistete. Die zuvor von ihm gefertigten Aufnahmen
wurden von der Beklagten veröffentlicht. Die Polizei informierte die Beklagte
über den Vorfall. Die Beklagte sprach im Hinblick hierauf eine ordentliche Kündigung
zum 31. Oktober 2006 aus.
Die gegen die Kündigung gerichtete Klage hatte vor dem Bundesarbeitsgericht – wie
schon in den Vorinstanzen – Erfolg. Der Kläger hat zwar gegen seine Verpflichtung
verstoßen, bei Erledigung seiner Arbeit angemessene Umgangsformen zu wahren.
Insbesondere hätte er sich ausweisen müssen. In den vorausgegangenen Abmahnungen
hatte die Beklagte dem Kläger jedoch keine hinreichend klaren und eindeutigen
Verhaltensmaßregeln vorgegeben, weshalb die Beklagte bereits rechtskräftig
zur Herausnahme der Abmahnungen aus der Personalakte verurteilt worden
war. Ob in Ausnahmefällen auch sachlich nicht berechtigte Abmahnungen die
kündigungsrechtliche Warnfunktion erfüllen können, brauchte der Senat nicht zu entscheiden.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Juni 2009 – 2 AZR 283/08 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 18. Dezember 2007
– 11 Sa 372/07 –